Das Kranke Haus am Rande der Stadt

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Laserfreund antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

MMEEEEEEEEEEEHHHHHHHHHHHHRRRRRRRRRRRRRR

Ich will meeeeeeehhhhhhhhhhhhrrrr

Mann is das krass. Echt super. Ich hoff, ihr habt noch viel mehr davon gedreht!!
Du wollt ich nicht sein... Das gibt Up/Downstream....

Wieviele Minuten gibts denn? Ist das am Ende gar ein kompletter Film mit Handlung?

Infos, ich will Infos!

:winken:
Klaus
#45887

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Dr. Coenen, H.u.B.D.

Wie immer im Leben ist es wichtig, sein Revier abzustecken und zu zeigen, wer hier der Boss ist. Eine zeitlang war das durch die Anzahl von Post-Willis Kugelschreibern gegeben, die man in der Brusttasche des Kittels trug. Das hatte aber ein Ende als jeder alle Farben besaß. Manche konnten es sich leisten, in Noltings Kiosk einzukaufen, der sein Eis und seine Cola den Preisen nach aus der Apotheke zu beziehen schien. Problemlos wurde man dort einen ganzen Tageslohn (DM 13.50) los, ohne den Hunger auch nur annähernd zu stillen.
Wie auch immer, wir vom Hol- und Bringdienst erdreisteten uns einfach, Macht an uns zu reißen. Durch den Überraschungseffekt waren viele dann so verdutzt, daß sie unsere Anweisungen befolgten.
Ein zeitraubendes Ärgernis war immer der Wäschesack in der Krankenwageneinfahrt. Was für ein Problem ist es, ihn wenn er voll ist, aus dem Ständer herauszunehmen, zuzuknoten und einen leeren wieder einzuspannen? Das kostet keine zehn Sekunden, war aber Zivi-Arbeit, also wurde erstens immer in den Sack hineingestopft bis er von selbst aus dem Ständer sprang und sich der Inhalt auf dem Boden verteilte. Alles weitere wurde dann auf den Haufen geschmissen.
Eines Tages holte Lars einen Zettel, schrieb etwas wie "Bitte volle Wäschesäcke zuknoten und neue Einspannen" dann setzte er seine Unterschrift darunter und plazierte ein ", H.u.B.D." dahinter, was für Hol- und BringDienst stand und klebte den Zettel an den Wäscheständer. Die Abkürzung kannte keiner, also wirkte es.

Seitdem waren wir der HuBD (Gesprochen: "haa-uu-bee-dee", nicht "hubbd"!). Damit gingen noch einige andere Abkürzungen einher, wie etwa SGAB (Sonst Gibt's Annen Ballon, "Aus dem Weg, SGAB!"), aber die waren eigentlich nur für den internen Gebrauch.

Irgendwann bin ich dann auf die Idee gekommen, daß Namensschilder ganz angebracht wären, schließlich liefen wir beim Essenfahren in weißen Kitteln rum und ich hatte sogar weiße Hose, weiße Schuhe und ein weißes T-Shirt an. Nicht weil es gefordert war, sondern weil es gut aussah. Die weißen Jacken waren aber wichtig und hatten laut Sicherheitsbeauftragtem irgendwas mit Hygiene zu tun... Jedenfalls habe ich den Laden ausfindig gemacht, der das Krankenhaus mit Namensschildern für Ärzte und Schwestern versorgt, bin hingefahren und habe für uns alle welche anfertigen lassen. Meins lautete "Dr. Coenen" mit einem kleinen "H.u.B.D." darunter, die anderen waren im gleichen Stil. Sah toll aus, vor allem an den weißen Kitteln mit den vielen Stiften in der Brusttasche.

Eigentlich fanden das alle witzig, bis auf einige Chefoberärzte (die 'wichtigsten' halt). Da es aber keinen allzugroßen Wirbel gab, habe ich das Namensschild einfach weiter getragen, anfangs dann zusätzlich noch mit einem T-Shirt auf dem in Großbuchstaben "Maul halten, Arsch lecken!" stand. Niemanden hat's interessiert, und die die es gestört hat, hatten wohl doch nicht genug zu sagen - oder der HuBD hatte sich mit seiner Abgedrehtheit etabliert!

Das ganze Chaos mußte irgendwie dokumentiert werden, um der Nachwelt erhalten zu bleiben. Aber wie? Nun ja... wir haben einen Film gedreht!

Die Leute haben schon eigenartig geschaut, als wir zu ungewohnten Zeiten mit Essenwagen über die Stationen gerattert sind, und noch eigenartiger, als sie sahen, daß der Essenwagen von einem unserer Wasserwagen verfolgt wurde, auf dessen Pritsche ich bäuchlings lag, um mit der Videokamera wenige Zentimeter über dem Boden dramatische Einstellungen einzufangen. Einen Dialog werde ich nie vergessen, als uns der Sicherheitsbeauftragte dabei ertappte, wie wir Meterweise Kabel durch den Flur spannten und in der frisch gestrichenen Wand mit Nägeln verankerten.
"Öh, guten morgen, was machen Sie denn da?"
"Wir drehen einen Film"
"Ah, und was machen Sie wirklich?"

Vorspann (2.6 MB)


Zeitsprung mit einem Essenwagen (3 MB)


Eine Welle aus Apfelsaft (3.1 MB)


...Mike

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#45885

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Der Demolition Man

Selbst Zivis wissen ab und zu, was sie tun, und wenn sie sagen: "Stell das Ding nicht in den Weg", dann wird das schon seinen Grund haben.
Essenwagen sind schwer. Ich weiß nicht wie schwer, aber man braucht schon ordentlich Energie und rutschfeste Sohlen, will man einen in Schwung bringen, oder gar zwei auf einmal, einen schiebend, den anderen ziehend. Weiterhin ist das Fahrverhalten solcher Ungetüme am ehesten vergleichbar mit dem eines Heißluftballons. Der Lenker kann ihnen nur ganz grobe Tipps geben, in welche Richtung sie doch bitte rollen möchten. Das braucht nicht nur Übung sondern auch ein wenig Platz.

Die Küche liegt am Ende eines langen, schmalen Ganges, links stehen die Essenwagen, die noch in die Küche müssen und rechts, ja da sollte normalerweise gar nichts stehen. Manchmal aber meinten die Abräumfrauen, ihre Wagen mit über Augenhöhe aufgetürmten Geschirrbergen, ausgerechnet dort im Gang stehen lassen zu müssen. Sie arbeiten schließlich schon 40 Jahre dort, da muß man ihnen ihren Job nicht erklären. Jedenfalls blieben an so einem Tag nur ca. fünf Zentimeter auf jeder Seite der zentnerschweren Essenwagen frei. Normalerweise (für einen geübten Hol- und Bringer) kein Problem, solange die Abräumwagen nicht so dämlich abgestellt sind, daß man nicht einmal mehr die Kurve aus der Küche (deren Tür auch nur unwesentlich breiter als ein Wagen ist) heraus bekommt.

Eines Tages traf ich einen dieser Wagen derart unglücklich, daß nicht nur das Geschirr mit unglaublichem Getöse zersplitterte, sondern der Abräumwagen selbst zurückgeschoben wurde, sich in einer Türöffnung verkeilte und durch die immer noch vorwärtsschiebende Masse des Essenwagens zertrümmert wurde. In dem Moment gingen über 50 Teller zu Bruch! Als ein Kollege wieder von der Station (zwei Stockwerke höher) zurückkam sagte er, daß er gedacht hätte, unten sei etwas explodiert, solch ein Lärm wäre das gewesen.

Ein anderes Mal habe ich den Scheitelpunkt der letzten Kurve vor der Einfahrt in den Fahrstuhl falsch eingeschätzt. Ich wurde zu weit aus der Kurve getragen, traf nicht genau die Fahrstuhltür, sondern die Wand daneben. Rumms, der Wagen stand augenblicklich so daß die darinliegenden Tabletts erschreckt zu Boden fielen, was eine Riesensauerei ergab. Aber mein dringendstes Problem war erstmal der zweite Essenwagen, den ich hinter mir herzog, der nicht nur noch ungebremst war, sondern es auch blieb, bis er, mich als Puffer benutzend, in den ersten Essenwagen raste. Es klirrte und schepperte nun auch sehr verdächtig im Zweiten. Ich sackte aber erstmal zu Boden und stöhnte ein wenig vor mich hin, bis ich merkte, daß der Boden heiß war. Und naß. Die beiden großen 10-Liter Kaffeekannen auf dem ersten Wagen hatten scheinbar nicht mitbekommen, daß dieser stehengeblieben war, und ergossen sich über den Fußboden. Alles nur Newton schuld. Schei*e. Unten im Lager hörten die Zivis einen irrsinnigen Rumms und liefen zum Fahrstuhl. An der Wand und den Fahrstuhltüren lief schon der Kaffe runter und auf die Frage: "Woher kommt denn das?" wurde auch nur mit "von oben?" geantwortet. Ich humpelte also, nach Kaffee stinkend, in die Küche zurück und machte den Vorschlag, daß doch mal jemand die Wagen auswaschen und nochmal das Essen für Station 3 Kochen sollte. Gefeiert wurde ich da nicht.

In der Garage standen die Wasserkisten, die morgens früh auf die Essenwagen geladen werden mußten. Der Transport der Kisten passierte mittels eines Rollwagens, eine Pritsche mit Rädern und angeschweißtem Bügel zum Ziehen. Nun haben Wasserkisten so ihr Gewicht, vor allem, wenn man den Wagen mit 48 Stück voll belädt und noch mehr, wenn nicht genug Luft in den Reifen ist, wie meistens. Der Absatz am Anfang der Garage, den hatte man schnell drauf, nur den Griff des Tores, den vergaß man gerne mal. Ich zumindest habe das einmal getan. Die letzte Fuhre bestand aus 49 Kisten und ich wollte nicht nocheinmal in die Garage laufen, also habe ich die 49. oben drauf gesetzt, als 5. Lage. Das war ein Fehler, da diese Kiste beim Herausziehen des Wagens am eben erwähnten Garagengriff hängengeblieben ist, und die Hälfte der Ladung mit vom Wagen riß. Das ist verdammt laut, vor allem um halb sechs Uhr morgens! Noch lauter ist es aber, wenn ein Vorderrad wegknickt, und die ganze Ladung zum Teufel geht. Auch schon passiert.

Die Küche ist leicht abschüssig, jedenfalls in die eine Richtung. Ich mußte mit dem vollen Wasserwagen aber immer in die andere. Das war nicht nur eine ziemliche Schinderei, sondern auch recht materialermüdend. Eines morgens gab der von unseren Handwerkern kunstvoll angeschweißte Metallbügel nach und riß ab. Da ich gerade mitten im Ziehen war, flog ich ziemlich weit. Naja, eineinhalb Meter vielleicht, aber die ungefederte Landung auf geriffelten Fliesen ist kein Spaß. Ich kam dann aber sofort zum stehen, weil ich gegen das Fließband knallte, auf dem das Essen zubereitet wird. Glücklicherweise waren die Reifen des Wagens platt, so daß er sich nicht selbständig machte, und womöglich noch ein Loch in eine Wand gerissen hätte.

Nach dem Folgenden hatte ich dann aber endgültig den Spitznamen 'Demolition Man' weg.

Es war Mittag und ich hatte Hunger. Im Speisesaal fiel mir aber ein, daß ich vergessen hatte, den OP-Müll abzufahren. Naja, also Kittel und Handschuhe an, den Müllwagen geschnappt, hoch zum OP, die Container mit den blauen Müllsäcken geleert und auch den... uff... auch den schweren blauen Müllsack vor dem Container auf meinen Wagen gepackt. Schnell die beiden Wäschewagen aneinandergekettet, mit denen im Schlepptau und dem Müllwagen vorne weg zum Preßcontainer. Blaue Müllsäcke rein, den uff... schweren auch, Schlüssel umgedreht, und Crunch! Schnell die beiden Wäschewagen noch ins Wäschelager gebracht, mich desinfiziert und ab zum Essen.
Nicht viel später kam eine OP-Schwester mit hochrotem Kopf in den Speisesaal und fragte nach dem Hol- und Bringedienst.
Wir meldeten uns.
"Wer hat den OP-Müll abgeholt?"
Ich meldete mich.
"Und, wo ist der jetzt"
"Im Preßcontainer...?"
Die Schwester wurde schlagartig blaß.
"...a-auch der Sack, der davor stand?"
"Äh, ja, wieso?"
"Um Gottes Willen! Da war ein Beatmungsgerät drin, das sollte repariert werden!"

DM 25.000

...Mike

P.S.: Und man hat tatsächlich versucht, mir daraus einen Strick zu drehen... #-o

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#45655

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Laserfreund antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Du bist SPITZE :top:
Mir so den Morgen zu versüßen !!
´hoffe, daß da noch viele Berichte hinterherkommen.
Ich lese die jetzt immer vor der Arbeit. Da laufe ich nicht in Gefahr, im Büro laut loszulachen. Weiter so :top:

:winken:
Klaus
#45377

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

15 Monate Boot Camp

Wir Hol- und Bringer waren eine eingeschworene Gemeinschaft, so wie die Soldaten im Boot Camp. Anfangs hatten Tobi, Lars und ich noch Hotte zur Unterstützung, der dann aber wieder zu den Malern gekommen ist. Wir hatten sogar unseren eigenen Raum im Keller: eine ehemalige Dusche, in der es sich schon Generationen von Hol- und Bringern vor uns gemütlich gemacht hatten. Dementsprechend sah der Raum auch aus. Siff überall und wenn man die oberen Schranktüren öffnete, wurde man von herabstürzenden, meist leeren Bierflaschen erschlagen. Dort spielten wir Skat (nein, nicht im Schrank).
Der Tagesablauf eines Hol- und Bringers sieht wie folgt aus: Morgens früh Müll und Wäsche abfahren, Essenwagen auf die Station, Frühstücken, Essenwagen wieder runter, Mittags Müll und Wäsche abfahren, Post austragen, Essenwagen auf die Station, Mittag machen, Essenwagen wieder runter, Feierabend um kurz nach 14 Uhr. Nicht viel Arbeit, und wenn man sich beeilte, noch weniger. Sich zu beeilen hatte den Vorteil, daß man immer sehr beschäftigt aussah und gleichzeitig mehr Zeit zum Skat spielen hatte - täglich drei Stunden und mehr.

Wir hatten in unserem Raum sowohl unseren Spaß als auch frische Luft, denn ein Lüftungsgitter verband uns direkt mit der Außenwelt vor dem Haupteingang. "18, 20, 2, Null, wech!" Schallte es fröhlich heraus, bis es eines Tages an unserer Tür klopfte.
Schlagartig verstarben alle Geräusche. Klopfen war nicht gut, Klopfen verhieß meistens Ärger. Alle Augen waren somit auf die sich langsam öffnende Tür gerichtet, durch die ein kleiner Opa im Nachthemd hereinschlurfte: "Jetzt hab' ich euch endlich gefunden! Ich habe euch schon seit Tagen immer nur gehört. Kann ich mitspielen?"
"...äh, nein, das - äh - geht leider nicht, weil ...hmmm... wegen der Hygiene, wissen Sie?"
"Ah, ja, verstehe. Schade. Na, dann noch viel Spaß.", sagte er und verschwand mit schmatzenden Geräuschen beim Gehen, weil auf dem Boden mal wieder Bier vergossen wurde.

Irgendwann ist man als Hol- und Bringer völlig schmerzfrei. Der Türöffner der Schiebetür des Haupteinganges verbarg wohl eine Bestrahlungseinheit, die nicht nur jedesmal beim Hineingehen das Hirn abschaltete, sondern auch abhängig machte, so daß man immer wiederkam.

Tobi hatte eine recht beeindruckende Statur, war Musiker und morgens dementsprechend fit. Eines Tages hämmerte er gegen den Automaten, weil dieser ihn für eine-Mark-irgendwas plötzlich keine Cola mehr geben wollte - bis er dann merkte, daß er sein Geld in den Zigarettenautomaten geworfen hatte.

Eines Tages um kurz vor Sechs, als wir mit unserer ersten morgendlichen Tour fertig waren, setzten wir uns (Tobi, ich und Schaper, der neue, der gerade eingearbeitet wurde) in den Speisesaal und gaben uns unserem allmorgendlichen Nichtstun hin. Schaper mußte seinen Kopf mit beiden Händen stützen und Tobi bastelte eine Viertelstunde lang ein Auto aus einem Überraschungsei zusammen. Als er endlich damit fertig war, schob er es einmal vor und einmal zurück, holte dann mit der Faust aus und zertümmerte das kleine Auto mit einem wuchtigen Hieb zu Staub. Schaper schreckte hoch und wäre beinahe mit seinem Stuhl hinten übergekippt. Er faßte sich an die Brust und schrie: "Mann, bist Du bescheuert? Was fällt Dir ein?!!" Tobi jedoch blickte nur langsam auf, ihn genervt an und sagte: "Hast Du gesehen, daß Mike auch nur eine Miene verzogen hat? ...na also, setz Dich wieder hin und sei ruhig." Schaper hatte noch viel zu lernen.

Sehr eigenartig war auch Frau Meier aus der Apotheke. Sie war in ihrem Kabuff dafür zuständig, daß das Medizinische Lager immer ausreichend gefüllt war. Sie sah schon nicht besonders helle aus, und eine Sache glaubte ich erst, als ich sie selbst miterlebte:
Frau Meier hatte ein Telefon in ihrem Büro und ein zweites, mit derselben Nummer im med. Lager, die beide gleichzeitig klingelten, wenn man sie anrief. Im Lager war natürlich noch ein zweites Telefon, mit eigener Nummer. Eines Tages hatte Frau Meier eine Notiz auf ihrem Schreibtisch liegen lassen und rief aus dem Lager ihre Kollegin an, damit sie nicht nocheinmal hin- und herrennen mußte. Sie wählte also ihre Nummer, worauf natürlich auch der Zweitapparat im Lager klingelte. Sie guckte kurz verdattert, nahm dann ab und meldete sich mit: "Meier... hallo? Hallo?!" Und das passierte öfter!

Eines Tages war das große Aquarium auf der Gyn geplatzt und zur Hälfte leergelaufen. Etwas grinsen mußte ich, als ich Mecki, einen der Handwerker, sah, der mit dem großen Wassersauger den Rest des Wassers und die Fische gleich mit entsorgte. Gab dann kein Aquarium mehr.

...Mike

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#45375

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Overlock antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Köstlich ... Mike. Selten so gelacht. :lachen1:

Gruß Michael.
Das Leben besteht nicht darin, gute Karten zu kriegen, sondern mit den Karten gut zu spielen. (Arabisches Sprichwort)
fotos.garagenfreun.de/OverlockAnim.gif Die schönsten Erinnerungsfotos von meinem 8er (In meinem Besitz vom 11.01.2004 bis 19.12.2011)
Es war ne geile Zeit mit...
#45363

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Mike1 erstellte das Thema Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Mein Gott, als ich Hemicudas Thread gelesen habe, wurde mir klar, daß das mit dem Zivildienst ja auch schon fast 12 Jahre her ist bei mir. Jungejunge. Es ist also an der Zeit, daß ich die ganzen Vorkommnisse einmal niederschreibe, bevor sie in Vergessenheit geraten. Sodenn sei dies der Platz für ein Dramolett in vielen Teilen:

Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Das exzellente Studium bezahlt kriegen, einen sicheren Job bekommen und viel Geld verdienen, das waren dir Gründe, weswegen ich Zeitsoldat werden wollte.
Gefährlich ist die Schulzeit, in der man zwar zu wissen glaubt, wie die Welt und vor allem man selbst funktioniert, aber es in Wirklichkeit nicht auch nur annähernd tut.
Jedenfalls habe ich dort das erste Mal aus dem Bauch heraus entschieden, was sich mittlerweile als richtig herausgestellt hat, da ich ansonsten zum wahnsinnigen Hammermörder mutiert wäre. Hauptsächlich wohl, weil neben mir im Hörsaal ein Feldjäger mit entsicherter Waffe hätte stehen müssen, um mich am desertieren zu hindern. Ich bin also Zivi geworden.
Damals war mir Rumgammeln noch fremd bzw. aberzogen, so daß ich 'etwas für's Leben lernen' wollte - beim Rettungsdienst. So weit so gut, doch trudelte drei Tage vor Dienstantritt ein Schrieb ins Haus, daß ich ja eine Farbschwäche hätte, man mir deswegen den Personenbeförderungsschein aberkennen und mich auf T2 herunterstufen müsse. Ach ja, und wenn ich nicht innerhalb von zwei Tagen eine andere Stelle vorweisen könne, würde ich in den damals noch äußerst dunklen Teil Deutschlands zwangsversetzt werden. So wurde ich dann Hol- und Bringer im 'Kranken Haus am Rande der Stadt'. Ein Scheißjob, bei dem ich aber den Spaß meines Lebens hatte.

Der gemeine Zivi in diesem Krankenhaus stand in der Hierarchie irgendwo zwischen Klobürste und Küchenschabe, der Hol- und Bringer gar noch etwas darunter. Sein Job ist es, Essenwagen auf die Stationen zu fahren und von dort wieder abzuholen, Müll und Wäsche abzufahren und die Post zu verteilen. Jeder andere meinte, Befehlsgewalt zu haben, ohne sich im klaren darüber zu sein, daß wir Hol- und Bringer entscheidend dazu beitrugen, den Laden am Laufen zu halten.

Bizarr anzuschauen waren die Festangestellten. Von extrem leckeren Medizinstudentinnen bis hin zum Glöckner von Notre Dame war alles vertreten - von letzteren allerdings wesentlich mehr.
Ein wenig Angst hatten wir Hol- und Bringer vor den Ausräumfrauen, die die Reste aus den Essenwagen in die 'Schweineeimer' verfrachteten. Ab und zu hörte man von denen Sachen wie: "Och Meta, guck ma' die Frikadelle is' doch noch gut..." und sah, zumindest anfangs, als man noch hinschaute, wie eben diese Frikadelle triefend aus dem Eimer gefischt und verspeist wurde. "Ja, Du hast recht, ich hab' hier auch eine... mmmh".

Welche Aufgabe Lena in der Küche hatte, ist mir bis heute verborgen geblieben. Lena war ungefähr 1.50m groß, trug Latschen, die fünf Nummern zu groß waren und einen ebenso viel zu großen weißen Kittel, der bis zum Boden reichte. Sie sprach mit ihrer piepsigen Stimme in eriner Sprache, die wohl nur sie kannte und ihre Augen schauten in die verschiedensten Richtungen - zur gleichen Zeit. Sie bewegte sich meistens ziel- oder orientierungslos durch die Küche. Wenn sie irgendwo anstieß drehte sie sich und lief in eine andere Richtung weiter. Ich mußte immer an die kleinen batteriebetriebenen Spielzeugautos denken, die genau das gleiche tun. Wir nannten sie R2D2.

Dann gab es noch die Handwerker. Die Palette reichte von völlig unfähig bis hin zu 'eigentlich okay aber stinkend faul'. Manche waren auch beides und alle immer besoffen. Aber gegen Heinrich kam niemand an. Mit Heinrich gingen die Rüttelmaschinen durch und Heinrich piekte sich mit Bohrmaschinen ins Auge.
Eines Tages öffnete er die hintere Tür seines Autos auf der Beifahrerseite, stellte seine Tasche hinein, ging um das Auto herum, öffnete die hintere linke Tür, setzte sich hinein und suchte nach dem Lenkrad. Er lebte in seiner eigenen Welt, aber wenigstens lächelte er immer.

Dann gab es da noch die Krankenschwestern, von denen die meisten immer nur meckerten, allen voran Schwester Doof, von der nun meine erste Geschichte handeln soll.

Mein Job war es, morgens früh (um kurz vor sechs) Wasserkisten nach Bestellung auf die Essenwagen zu stapeln. Es wurde, nachdem mehrmals aufgrund mangelnder Kommunikation Bestellungen von über 20 Kisten für einen Tag (es ist ein kleines Krankenhaus mit noch kleineren Stationen) aufgegeben wurden, ein anderes System eingeführt. Ein paar Tage zuvor mußte man mich mit zwei Mann davon abhalten, eine Euro-Palette Wasserkisten mit der Ameise auf die Station zu fahren. Ich war schon fast im Fahrstuhl und der Hubwagen schob den PVC-Boden wellenförmig vor sich her. Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hatte Schwester Doofs Station es wieder einmal nicht geschafft, sich klar auf den Zetteln auszudrücken, obwohl man nur Striche machen muß, wobei jeder Strich für eine Wasserkiste steht.

Ich hatte also zweimal weißes und einmal grünes anstatt zweimal grünes und einmal weißes Wasser geliefert. Das war eine Katastrophe! Und als ich mich auf den eigenhändig von ihr ausgefüllten Zettel berief und auch noch sagte, daß ich die Kisten erst in 20 Minuten austauschen könne, weil jetzt nämlich die Essenwagen vorrang hätten, knurrte sie nur: "Das wird ein Nachspiel haben" und machte sich auf den Weg in die Küche, um dort ein paar Wellen zu schlagen.

Daraufhin habe ich mich bei meinen Kollegen entschuldigt (die Essenswagengeschichte kann man auch prima zu zweit schaffen, man sollte es nur nicht so laut sagen), weil ich ja Wasserkisten liefern mußte. Ich bin in die Garage gegangen, habe eine Kiste grünes Wasser (in grünen Flaschen, ohne Kohlensäure) entleert und mit Apfelsaft befüllt. Offensichtlich also, daß diese Flaschen alle schon mal offen waren und kein Wasser enthielten. Man sollte mißtrauisch werden.
Ich tauschte also wie befohlen die überzählige Kiste weißes, durch die präparierte Kiste mit Apfelsaft aus, und freute mich darauf, Schwester Doof wieder einmal explodieren zu sehen.

Aber nichts passierte.

Eigenartig, da die Leute dort eigentlich nicht intelligent genug waren, die Kiste einfach zu entsorgen, nichts zu sagen, und mir so den Spaß zu vermiesen.

Dadurch daß ich, da ich von weiter weg kam, als einziger Zivi im Schwesternwohnheim mein Zuhause hatte, hatte ich natürlich etwas bessere Beziehungen zum Personal und bekam heraus, daß eine Probe des Inhaltes der Flaschen zur Analyse ins Labor geschickt wurde. Und als das Labor sagte: "Urin mit Haschisch", ging eine weitere Probe ins Zentrallabor nach Hannover. Es waren schon sämtliche Vorbereitungen für ein Disziplinarverfahren gegen mich getroffen, aber Hannover lachte sich bloß tot. Und alle (bis auf ein paar Ausnahmen im Krankenhaus) lachten mit.

Das Krankenhaus bezieht den Apfelsaft übrigens immer noch vom selben Hersteller...

...Mike

Bremen, Dunmurry, Göteborg, Levallois, München, Rüsselsheim
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