Das Kranke Haus am Rande der Stadt

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UFO antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

:winken: Mike,
:rofl: wassn Spaß, unbedingthochfahrmuss :mrgreen-angel:
Hey, genau das Richtige um über den Winter zu kommen :top: :top: :top:
#95866

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SlingShot antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Ja nee... so geht das wirklich nicht... Solange das Wetter nicht mitspielt, musst Du uns weiter unterhalten... :kiss:

Gruß Michael

(BTW: ich geh dann mal kurz in den Keller, mir einen Ersatzschlüssel für Mikes CSI dremeln :harhar: )
#47194

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reinhard antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Wie?
Schon vorbei?
Hey... das geht nicht!

War ne tolle Story! Alles mit Freude gelesen und angeschaut!

:kiss:
Reinhard
#47139

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

The Show Must Go On

Völlig unsinnige Befehle sollten dafür sorgen, daß wir sahen, wer was zu sagen hatte. Kilian sollte im Sturm Laub fegen und wir sollten gefälligst leise mit den Essenwagen über die Station fahren. Dann hätten wir sie tragen müssen, danke auch. Solche Aktionen reduzierten ganz einfach nur den Respekt, den wir vor den entsprechenden Leuten hatten. Manche beachteten wir überhaupt nicht, für andere taten wir ohne zu Murren Sachen, die nicht in unserem Aufgabenbereich und außerhalb unserer Arbeitszeit lagen. Man muß ja auch ein wenig erzieherisch tätig werden.
Für diejenigen, die uns ungepuderte Handschuhe aus dem Lager schmuggelten, taten wir fast alles. Die Hälfte der Zeit, beim Müll-, Wäsche- und Glasfahren steckten unsere Hände in Latexhandschuhen. Eigentlich waren Maurerhandschuhe gefordert, aber da man damit keinen Sack zuknoten konnte, wurden die nicht benutzt.
Nun gab es zwei Arten von Latexhandschuhen, gepuderte (billige) und ungepuderte (teure). In den teuren hätte man den ganzen Tag drinstecken können, in den billigen hatte man nach fünf Minuten Spülhande.

Das Krankenhaus holt einen aber immer wieder ein. Ich beendete einen Monat vor Tobi und vier Monate nach Lars meinen Dienst. Während des Studiums bekam ich dann Post vom Bundesamt für Zivildienst, daß ich vier Tage nachdienen sollte. Hatte ich trotz meiner hunderten von Überstunden zuwenig getan?
Des Rätsels Lösung war die Genehmigung für Sonderurlaub, den ich für einige Wettkämpfe eingereicht hatte. Das Krankenhaus mußte eine Stellungnahme dazu schreiben und es dann zum Bundesamt schicken. Stattdessen aber wurde es in meine Akte abgeheftet. Was nun? Tobi war weg, Lars war weg, Uwe und Kilian waren nicht mehr da, und ich mußte nachdienen. Nein, das ging nicht. Ich ging zu Detlef und sagte ihm, daß das entweder geregelt würde, oder der 'Demolition Man' für vier Tage zurückkehren müßte. Ich brauchte dann nicht nachdienen.

Mit Schaper, Kowalski und vielen anderen kamen nach uns nur mürrische Leute, die keine Späße mehr machten, sondern ihren Haß auf den Zivildienst auslebten. Ein Ehrgefühl war nicht mehr vorhanden. Als mit Tobi der letzte der großen Hol- und Bringer das Krankenhaus verließ, war die Ära des H.u.B.D. vorüber und plötzlich merkten wir und auch das Personal, daß ihnen und uns etwas fehlte.

Ab und zu machten wir noch Hol- und Bringer Treffen. Lars, Tobi und ich trafen uns noch zweimal nach einigen Jahren im Krankenhaus, zogen die weißen Kittel an, setzten und in den Ziviraum zwischen den Haufen brummeliger Neuzugänge und lachten uns wieder halbtot - wie in alten Zeiten. Wir fuhren auch Kaffee, wurden wiedererkannt und herzlich begrüßt. Einmal Hol- und Bringer, immer Hol- und Bringer.

Mittlerweile haben wir uns aber ein wenig aus den Augen verloren. Tobi ist mittlerweile irgendwo Anwalt, Lars hat sich mit Musiktechnik selbständig gemacht, Uwe und Kilian sind verschollen, wobei Kilian sicherlich irgendwo im Ausland sein wird.

Geblieben sind lediglich Erinnerungen und das geklaute Schild der Kaffeekanne der Station 0/1 (die Isolations und Seuchenstation), das mich als Schlüsselbundanhänger täglich an die Zeit erinnert, in der neben dem unglaublichen Spaß, den ich hatte, viele Weichen für mein Leben gestellt wurden. Aber das ist ein anderes Thema.

Hol- und Bringaaaa... (5.2 MB)


Andenken


...Ende

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#47134

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Irgendwo knallt's immer

Der ideale Hol- und Bringer hat in etwa sieben Beine, dreizehn Arme und keinen Kopf. Wir sind dem wohl sehr nahe gekommen, denn meistens haben uns die Leute angeguckt, als sähen wir wirklich so aus.
Manchmal mußte man aber einfach ausflippen. Uwe, Handwerkerzivi, war eigentlich ein sehr stiller Zeitgenosse, doch ab und zu kam ein unerwarteter Ausbruch. Hinten wurde das Wäschelager umgebaut und Uwe machte dort mit einem Besen sauber. Plötzlich erblickte er ein Bild des Krankenhauses an der Wand, hielt inne, holte mit dem Besen aus und schlug gegen das Bild, das daraufhin zu Boden fiel. Die Glasscheibe des Rahmens zersplitterte in tausend Fetzen und Uwe blickte langsam zu uns rüber, wie wir dort plötzlich wie angewurzelt standen und einfach nur guckten. Stille. "Hat mich gestört", sagte er, schien kurz zu überlegen ob das gestimmt hat, zuckte dann mit den Schultern und kehrte weiter. Wir haben uns dann besser verzogen.
Als wir später noch einmal durchs Wäschelager mußten, sahen wir ihn mit dem Besenstiel Löcher in die Decke stupfen: "Alles Schei*e. Alles Schei*e hier. Schei*e, Schei*e, Schei*e..."

Ich glaube, es war auch Uwe, dem das Mißgeschick mit dem Bulli passierte. Er wollte ihn in die Halle fahren, aber das Rolltor war zu. Also stieg er aus, öffnete es, stieg wieder ein und fuhr hinein. Da er aber die Fahrertür nur anlehte, schwang sie beim Bremsen auf und wurde abrupt von der Gabel des Gabelstaplers gebremst, die ein wunderschönes Loch hinterließ.

Ich gebe zu, daß es schwer ist, Leute ernstzunehmen, die Klingonisch lernen und im Winter über den Hof laufen und versuchen, mit dem Mund Schneeflocken einzufangen.
Vollends schief angeguckt wird man aber, wenn man versucht, seinen Teint mit Bräunungscreme ein wenig ansprechender zu gestalten, dabei aber vergißt, sich die Hände zu waschen. Schöne braune Handflächen. Was haben wir gelacht.

Viel besser war das Personal aber auch nicht. Warum sonst hätte über dem Brötchenautomaten folgendes Schild gehangen?
1. Gucken
2. Überlegen
3. Geld einwerfen
4. Knopf drücken
5. Brötchen!


Eines Tages wäre mir beinahe ein Postkorb wegen seines ungewöhnlich hohen Gewichtes aus der Hand gefallen. Unter den Zetteln lag ein gigantischer, zwei oder drei Kilo schwerer Maulschlüssel, der in den OP sollte. Dort wußte zwar keiner warum, aber sie fanden's toll. Seitdem hängt er da an der Wand.

Müll, Wäsche, Essen, Post, wir waren immer gut unterwegs, und eines Tages lag ein alter Mann in seinem Bett vor der Endoskopie und war schon ganz verängstigt wegen der lauten Würgegeräusche und erstickten Schreie, die durch die Tür drangen. Wir ratterten mit unseren Müll- und Wäschewagen an ihm vorbei und in den Fahrstuhl hinein. Runter... "Ham wir eigentlich die Personalwäsche vom Röntgen?" "Ach Mist." Also wieder hoch, auf der anderen Seite des Fahrstuhls raus, hinten rum zur Röntgenabteilung und noch weiter rum, wieder nach vorne zum Fahrstuhl, wo der alte Mann immer noch lag und ziemlich verdattert schaute, da er uns doch mit dem Fahrstuhl hat runterfahren sehen.
Das versprach, witzig zu werden, also sind wir nun gleich durch den Fahrstuhl durch und auf der anderen Seite wieder raus gefahren, haben ein wenig gewartet, sind wieder hinten rum gedüst und zum dritten Mal an ihm vorbei. Der sah so aus, als würde er schon an sich selbst zweifeln. Wir grüßten ihn freundlich. Bei der fünften Runde zupfte er schließlich eine Schwester am Ärmel, zeigte mit aufgerissenen Augen auf uns und sagte fast panisch: "Schwester, da kommen die schon wieder!!"

Einen anderen alten Mann habe ich morgens um halb sechs mit einem Wäschewagen über den Haufen gefahren. Die neuen Patienten, die in der Nacht eingeliefert wurden, wurden in ihren Betten häufig auf dem Flur geparkt. Normalerweise allerdings auf dem Stationsflur und nicht gleich vorm Fahrstuhl... Ich kam also flink dort heraus und ließ den leeren Wäschewagen durch eine geschickte Bewegung des Hadgelenks eine 180-Grad Drehung vollführen, um ihn an der Wand zu parken (die Wäschesäcke packten wir, um nicht mit zwei Wagen über die engen Flure zu müssen, zwischenzeitlich immer auf die Müllwagen mit drauf).
Der herumschleudernde Wäschewagen traf aber ein Bett mit einem Patienten drin. Es gab einen furchtbaren Knall und die Gestalt im Bett sprang aus dem Liegen einen halben Meter hoch, drehte sich einmal um sich selbst und fiel dann verknotet wieder herunter.
Ich hielt die Luft an und sah vor meinem geistigen Auge schon meine öffentliche Auspeitschung, doch der Kerl im Bett schnarchte seelenruhig weiter. Er war einfach nicht aufgewacht.

Ein anderes Mal war das Spektakel etwas größer. Kurz vor Dienstschluß fuhren wir immer noch einmal Kaffee auf die Stationen - die großen Kannen. Aus irgendeinem Grund war jedoch einer der beiden Flügel der Tür zur Station geschlossen und wiedermal kam ein Wagen nach einer Kurve sehr abrupt zum stehen.
Erneut machten sich zwei große Kaffeekannen selbständig und entleeerten sich mit großem Getöse. Man konnte sehen, wie etwa zwei dutzend Köpfe aus den Bereitschaftszimmern, die sich entlang des Flures befanden, herausploppten und dämlich grinsten. Jaja, ich mal wieder. Ich verbeugte mich und rannte dann geschwind zum nächsten Waschraum um mit der dort gelagerten Bettwäsche die Flut einzudämmen (gab wegen der Wäsche natürlich wieder Ärger). Noch nach Tagen stank ich nach Kaffe oder zumindest meinte mein Nase, daß ich das täte.

An einem anderen Tag hüpfte mir in der Küche eine Kanne vom Wagen. Dort waren sie alle mit Steckern an den Strom angeschlossen. Nun hatte ich vergessen, einen dieser Stecker abzuziehen, so daß die Kanne beim Losfahren vom Wagen gezogen wurde. Der Deckel flog herunter und der heiße Kaffe spritzte nicht nur bis an die Decke, sondern auch noch mir ins Gesicht und R2D2 an die Klamotten. Sie tanzte daraufhin kreischend um mich herum während ich versuchte, den heißen Kaffee aus meinen Augen herauszubekommen.

Eine Riesensauerei habe ich glücklicherweise nicht mitbekommen, weil ich zu der Zeit beim Training war und in der Turnhalle festsaß: ein gigantischer Wolkenbruch. Kanaldeckel schwammen die Straße entlang und es wurde Katastrophenalarm ausgerufen. Im Krankenhaus kam im Keller das Wasser hektoliterweise durch die Wand und verwandelte unseren alten Raum, und jetzige Schwesternumkleide, hähä, in einen stinkenden Sumpf. Alle Zivis mußten zu Aufräumarbeiten antanzen, bloß mich erreichte man während des Gewittergusses nicht, und nachher hatte man soviel zu tun, daß man mich vergaß. Glück gehabt.
Als an dem Abend der Strom ausfiel gab es eine weitere kleine Katastrophe. Die Notstromaggregate des Krankenhauses und der Stadt sprangen gleichzeitig an, irgendwie floß dann Strom gegen Strom und ein Transformatorenhäuschen explodierte. Bei uns im Krankenhaus flogen die großen 600 Ampere-Sicherungen reihenweise heraus und alles, aber auch alles brach zusammen. Bis die Generatorwagen der Feuerwehr eintrafen, um die Intensivstation mit Strom zu versorgen, mußte dort Handarbeit geleistet werden.

Ein Terminator (1.5 MB)


...Mike

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#46803

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Zeigen, wo der Hammer hängt

Das Leben im Wohnheim war ein angenehmes. Die Zimmer waren etwa sechs Meter lang und drei, allerhöchstens aber vier Meter breit. Manche hatten auch einen Balkon und alle eine Einrichtung aus den 70ern. Da dort noch nie jemand richtig wohnen wollte, war alles in einem annehmbaren Zustand und irgendwie cool. Im Großen und Ganzen war ich der erste Zivi, der sich dort häuslich eingerichtet hat, mit allem was dazugehört, also Fernseher, Videorecorder, Satellitenantenne, Surroundanlage, Computer, Videokamera, Bücher und und und.
Dusche, Bad und WC gab es im Flur, und es wurde, von zwei extrem zeitlupigen Putzen saubergehalten, die aber die Sanitäranlagen immer tiptop in Ordnung hielten, weswegen sie doch ziemliches Ansehen genossen.
Jeder Zivi hatte dort zwar sein Zimmer, das aber meistens nur zum Rauschausschlafen nach Ziviparties genutzt wurde. Manche Zimmer waren auch doppelt belegt, aber jeder Zivi mußte die volle Miete bezahlen. So wurden wir abgezockt, denn jeder war verpflichtet, dort ein Zimmer zu mieten. Ich sah es als günstige Gelegenheit, von zu Hause weg zu kommen.
Ein paar Schwesternschülerinnen wohnten auch dort und es wurden schnell mehr. Dann kam Kilian. Kilian war der neue Gärtnerzivi und absolut oberlässig, dabei aber nicht irgendwie blöd oder dämlich, nein, er wußte halt, wie man lebt. Er kam aus Cottbus und hatte vorher im holländischen Boskoop Gärtner gelernt. Jetzt war er bei uns und im Wohnheim.

Im Sommer gab es gerne Wasserschlachten. Schwämme und Spritzen waren schnell aus dem Krankenhaus organisiert und der Spaß war enorm. Eimal wurde Kilian von Kathrin und Dorit in eine Falle gelockt. Kilian verfolgte sie mit seiner Spritze und die beiden flüchteten in Kathrins Zimmer, wo schon ein 10-Liter Eimer mit höchstwahrscheinlich eiswürfelgekühltem Wasser wartete. Die beiden öffneten die Tür und Kilian wollte gerade zum Angriff übergehen, als ihn die Sturzflut überraschte. Da stand er nun wie eingefroren, patschnaß, blickte wie ein begossener Pudel drein und wußte nicht wie ihm geschehen war. Aus seiner Spritze träufelte unbeachtet ein armseliger Strahl ins Leere.

Die Gemeinschaft war herrlich. Gemütliche Abende gemeinsam auf dem Balkon, auf dem Flachdach in der Sonne brutzeln, Videoabende, und immer war jemand da, mit dem man Spaß haben konnte.

Irgendwann kam dann Kowalski. Er sollte im HuBD mein Ersatz werden und zog ebenfalls ins Wohnheim ein, direkt neben mich. Plötzlich hatte ich einen Nachbarn, und einen nervigen dazu. Kowalski war nämlich 'DJ Cyberfrog' und führte ein Nachtleben als genialer, aber verkannter Discjockey - so sagte er zumindest.
Eines Abends sah ich mir einen Film an und hörte plötzlich in feinstem Surround einen Dieselgenerator laufen, der mir vorher in dem Film noch nie aufgefallen war. Es war aber kein Generator, es war Kowalski mit seiner Tekkno-Mukke nebenan *duk, duk, duk, duk*.

Einmal beschloß ich selbst dem Lärm ein Ende zu setzen (nachts um drei oder so), ging zu dem kürzlich durch rohe Gewalt öffentlich zugänglich gemachten Sicherungskasten und schaltete in Kowalskis Zimmer die Steckdosen, aber nicht das Licht ab. Klick. Sein Wehklagen war zwar nicht viel leiser, aber verschaffte mir zumindest innere Zufriedenheit. Noch am nächsten Morgen glaubte er, seine Anlage wäre kaputt.

Meistens aber störte er nicht sonderlich, denn zumindest die inneren Wände des Wohnheims waren sehr solide gebaut, so daß seine Brüllwürfel es nicht vermochten, sie ausreichend in Schwingungen zu versetzen. Leise Musikberieselung reichte schon, um das getucker von nebenan nicht mehr wahrzunehmen. Später, kurz vor meinem Auszug, schaffte ich mir, schon für die nächste Wohnung, einen 38er Subwoofer an. Kowalski sah nun kein Land mehr und sah sich gezwungen, gegenzuhalten.
Eines Tages aber saß ich mit ein paar Kumpels im Aufenthaltsraum und wir beobachteten, wie mein dürrer Nachbar einen ebenfalls beachtlichen Subwoofer in sein Zimmer rollte und gleich darauf in Betrieb nahm.
Einige Zeit später, nachdem er mehreren Aufforderungen, seine Amateur-Erdbebenforschungen doch bitte zu verschieben, nicht nachgekommen war, stand Uwe auf. Uwe war zwei Meter groß, hatte statt Armen Beine mit Händen dran und auch sonst einen einschüchternden Körperbau. Uwe öffnete Kowalskis unverschlossene Zimmertür, ging zu dessen Anlage, schaltete sie aus und verließ auch weiterhin wortlos das Zimmer. Dann war Ruhe.

Tobi schenkten wir einmal zu seinem Geburtstag einen Wecker für sein Wohnheimzimmer. Er war aus Plastik und sah aus wie ein Hahn und klingelte auch so: "gackergackergacker-KIKERIKIII!". Drückte man dann den Aus-Knopf sagte er fröhlich und beschwingt: "Guten Moggen!" Es war einfach nur grausam. Der Wecker flog oft an die Wand, aber er war nicht kaputtzukriegen.

Besonders an Montagen nach Konzerten war Tobi ziemlich fertig: "Du Mike, ich weiß, daß ich eingestempelt habe," sagte er mit dem Kopf auf der Tischplatte, "aber kannst Du mal bitte nach vorne gehen und gucken, ob nicht vielleicht mein Auto noch mit offener Tür und laufendem Motor vorm Haupteingang steht?"

Ein anderes Mal holte er mich in den Kühlraum und sagte: "Mike, Du kannst doch auch gut englisch. Hilf mir mal, ich weiß nicht mehr weiter". Er zeigte auf ein aus Platzmangel getrenntes und auf zwei Zeilen verteiltes Wort:

NOT -
ÖFFNER

Ein anderes mail ließ seine unerwartet in einen Satz eingestreute Vokabel 'splitternaserfackt' nicht nur uns, sondern auch die Leute am Nebentisch im Speisesaal kollektiv Losprusten. Sein verwirrtes 'Wat denn, wat denn?!' verbesserte die Situation nicht wirklich.
Den größten Fettnapf aber erwischte Hotte. Wir hatten ein recht lockeres und gutes Verhältnis zur Küchenchefin und es gingen des öfteren flapsige Sprüche in beide Richtungen. Irgendwann wurde bekannt, daß ihre Tochter demnächst in der Küche ein Praktikum absolviert: Sie war doppelt so dick wie doof und dreimal so häßlich, und dazu noch mit einer Brille ausgestattet, deren Bügel man besser hätte unter die Ohren verlegen sollen, damit sie aufgrund des Übergewichtes der beeindruckenden Gläser nicht von der Nase kippt.
Nun gut, eines morgens erblickte Hotte also dieses bemitleidenswerte Geschöpf, bahnte sich seinen Weg direkt zur Chefin und meinte: "Was ist DAS denn?! Ich wußte nicht, daß wir hier auch Panzer einstellen! Ich hab' eben gedacht, ich bin in der Geisterbahn."
Sie blickte ihn daraufhin nur traurig an, und sagte beschämt: "Och, so schlimm ist es doch auch nicht"
Kurz irritiert, ob dieser für ihn doch unerwarteten Reaktion, lief er dann aber doch sehr schnell sehr rot an und schlug die Hände vor's Gesicht. Hätten wir in dem Moment ernsthaft versucht, das Lachen zu unterdrücken, wären wir wohl alle geplatzt.

Gelacht wurde auch viel beim Kartonswegmachen. Immer wenn mal wieder eine Wagenladung Pappkartons fällig war, haben wir damit unsere van-Damme-Technik für den Fahrstuhl trainiert. Die Kartons wurden einzeln auf den Rand des Preßcontainers gestellt und dann mit einem gekonnten Drehtritt (oder wie immer das heißt) in ihn hineinbefördert.
Alternativ dazu konnten auch Löcher in die Pappe hineingeschlagen werden. Die Hand wurde dabei zur Faust geballt und der angewinkelte Mittelfinger leicht vorgeschoben. War man geschickt und schnell genug und hatte ausreichend Hornhaut, konnte man dreilagige Pappe durchschlagen, ohne daß der Karton herunterfiel und man sich weh tat.
Immer wieder beliebt waren auch die großen Kartons im Kubikmeter-Format, die man sich über den Kopf stülpen konnte. Damit den Weg in den Fahrstuhl zu finden ist nicht immer einfach, vor allem wenn man keine Gucklöcher reinmachte.

Eines Tages, als ich gerade wieder mit Kartons am Preßcontainer herumflippte, sprach mich der Gärtner an: "Hey, das machst Du besser da drüben", und deutete in Richtung des Kindergartens, der nebenan war. Ich tat das ganze mit der erstaunten Frage: "Hä? Soll ich die Kartons etwa im Kindergarten kaputtmachen?" ab. Wer uns dumm kam, der wurde mit etwas noch dümmerem abgespeist. Das war Freiheit pur.
"Hey, bring diese Holzplatten mal runter in die Werkstatt."
"Nä' !"
Nicht auszudenken, was solch eine Antwort beim Bund oder im normalen Leben für Folgen hätte.

Unsere größte Machtdemonstration war der 'Streik'. Da uns der dritte Mann abgezogen wurde (weil wir die Arbeit angeblich auch zu zweit schaffen würden) mußten wir uns etwas ausdenken, wie wir ihn zurückbekommen und wieder Skat spielen konnten. Da haben wir die Handwerker studiert, und deren Fähigkeit, nur beschäftigt auszusehen, perfektioniert.
Plötzlich dauerten unsere Touren weit mehr als doppelt so lang, die Post blieb liegen, wir hielten uns an jede klitzekleine Vorschrift, und spülten nicht nur plötzlich unsere Wagen, sondern sogar die Container vom OP. Die Post blieb liegen, die Essenwagen kamen zu spät, Kaffee kam gar nicht - und wir schufteten und schufteten, so hatte es jedenfalls den Anschein. Während wir noch Müll abfuhren, sah man Handwerker verwirrt mit Postkörben über die Stationen geistern und Detlef (unser Vorgesetzter) schob grimmig Essenwagen.
Nach nur drei Tagen war die Entscheidung rückgängig gemacht und wir hatten unseren dritten Mann zurück. Das Krankenhaus funktionierte danach wieder normal. Selbst schuld, man soll Hol- und Bringern halt nicht in ihren Job reinreden.

"Uwe, schipp ma' Schnee." "Hm, ...na gut." (0.5 MB)


...Mike

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#46643

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SlingShot antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Boaaaah ist das geil!
Mike, Du solltest Bücher schreiben. Diese Kurzepisoden haben heute morgen meine Laune gerettet. Und ich war wegen des Schnees wirklich mies drauf. Dieses Forum mit seinen Leuten ist echt der Hammer!

Gruß Michael
#46475

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JoernZ antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

:rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :lool: :lool: :lool: :lool: :lool: :lool: :lool: :rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :rofl:

Bitte gesteh uns, dass du den Zivildienst drei bis sieben mal gemacht hast und die Stories nie enden :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:
#46474

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Unfähigkeit und Komplexe

Technische Probleme wurden immer schnell gelöst. Gleich in der ersten Woche hatte ich mein Leben einer Sicherung zu verdanken, die rausflog. Ich stöpselte gerade eine der Kaffee-Warmhaltekannen an den Strom, da schlugen 220 Volt in mich ein und das Licht ging aus. Zum Glück nur das im Küchenflügel. Die Lösung des Problems war, daß ich vom Sicherheitsbeauftragten angemault wurde und doch gefälligst vorsichtiger sein sollte. Da war mir schnell klar, daß einige dort nicht richtig ticken.
Sicherheitschef Rygulla war schon ein komisches Kerlchen, kam sich unglaublich wichtig vor und hatte sehr variierende Ansichten. Als er uns wieder einmal wegen einer Unwichtigkeit zu sich bestellte, sagte er erst einmal nichts. Wahrscheinlich angewandtes Wissen aus einem Rhetorikseminar der Gestapo. Der kleine Kopf mit der großen Brille saß auf einem schmächtigen Rumpf und dieser wiederum auf einem viel zu niedrigen Stuhl, was Rygullas Erscheinungsbild sicherlich nicht in die gewünschte Richtung lenkte. Wenn er stand, war's aber auch nicht viel anders.
Wortlos legte er ein paar Papiere zur Seite, öffnete eine Schreibtischschublade und kramte einen grellbunten Kinderhandfeger hervor, mit dem er ein paar imaginären Staubflocken zuleibe rückte. Nachdem der Handfeger wieder verstaut und die Papiere wieder am Fleck lagen, lehnte er sich zurück, und schaute in die Runde der gequälten Gesichter, die mit aller Macht das Grinsen unterdrücken mußten. Dann fing er an zu reden, irgendwas, bla bla.
Am Ende legte er Tobi immer nahe, sich doch vernünftiger anzuziehen, weil er zuwenig weiß anhatte. Die vorgeschriebene weiße Jacke halt. Lars war genauso gekleidet, aber bei ihm war's okay. Ich hatte ihm immer zuviel weiß an: "Das wird doch schmutzig..."

Rygulla hatte es schwer, denn er kriegte von allen Seiten immer nur was aufs Dach, allen voran vom Hygienebeauftragten der Stadt. Sundermann, der im Gaslager rauchte und in der Küche schweißte, während das Essen zubereitet wird, Fahrstühle, die andauernd hängenbleiben, verdorbenes Essen, und so weiter und so fort. Eigentlich bemitleideten wir ihn.

So ganz sicher war das Leben im Kranken Haus wirklich nicht. Als Tobi einmal flotten Schrittes mit einem Essenwagen voran um eine Kurve düste, stand dort plötzlich die Büchereifrau mit ihrem Wägelchen im Weg. Tobi machte eine Vollbremsung, die Arme wurden schlagartig lang, und mit einem Ruck brachte ihn der Essenwagen aus dem Gleichgerwicht. Er schnellte nach vorn und landete mit dem Gesicht im Besteckkasten. Glücklicherweise steckte ihm 'nur' eine Gabel im Kinn. Der Kommentar der Büchereifrau war bloß: "Passen Sie beim nächsten Mal doch besser auf!"

Der Gärtner ist ziemlich gestört. Wenn er schonmal was sagt, dann lallt er bloß. Wollte wohl mal Handwerker werden, aber dazu reichte es noch nicht. Sein Reich, das war der Trecker, oder vielmehr ein großer Aufsitzmäher mit Dach. Der Trecker war flink, wenn man wollte, aber der Gärtner cruiste meistens nur. Passend dazu hatte er immer eine Harley-Davidson-Mütze auf. Als er im Winter einmal den Schneeschieber vor den Trecker gespannt hatte, übersah er leider eine Bordsteinkante. Der Schneeschieber blieb hängen, knickte ab, geriet unter den Trecker, der dadurch in die Luft katapultiert wurde, über den Bürgersteig kullerte und dann ziemlich kaputt liegenblieb.

Als die Leichenhalle renoviert wurde, mußte deren große Eingangstür weggemacht werden. Die brillante Idee: Ab in den Preßcontainer damit. Ging aber nicht, weil sie sich immer hochkant stellte. Detlef und Hotte hatten eine Idee. Hotte stellte sich in den Preßcontainer und auf die Tür. Dann wurde die Presse soweit laufengelassen, bis die Tür verkeilt war und Hotte sollte rausklettern. Heinrich bekam das mit und wollte sich nützlich machen. Detlef drehte den Schlüssel und setzte den Mechanismus in Gang und kurz darauf sagte Hotte Stopp, also drückte Detlev den Not-Aus Schalter. Heinrich hingegen drehte den Schlüssel und Hotte kriegte Panik: "Mach aus! Mach aus!". Detlef drückte den Schalter, Heinrich drehte den Schlüssel. Das hatte erst ein Ende, als Heinrich von Detlef gewaltsam am Schlüsseldrehen gehindert wurde. Hotte macht so etwas bestimmt nicht nochmal.

Dafür machte Hotte andere Sachen, und vor dem Panoramafenster des Speisesaals mit sich selbst Jive zu tanzen war noch die Normalste. Er hatte Spaß daran, den ekligen Schinken, den es immer gab, an die Decke zu schmeißen, wo er dann kleben blieb und irgendwann irgendwem auf den Kopf, in den Schoß oder ins Essen fiel. Einmal brachte er ein kleines Holzklötzchen mit, über das er einen Löffel legte um ein Katapult zu bauen. In den Löffel legte er eine Kartoffel, schlug auf den Stiel, so daß das Geschoß losflog, lief dann ein drei oder vier Meter nach hinten und fing die Kartoffel mit dem Mund auf. Hol- und Bringer halt.
Wir hatten auch Sachen, wie einen Hochkant-Eiereßlöffel und einen Mußt-Gegentreten-Schalter. Der Hochkant-Eiereßlöffel war ein Teelöffel, bei dem der Stiel um 90 Grad nach unten gebogen war. Die neue Herausforderung beim Essen machte das Leben dann richtig interessant.

Der Mußt-Gegentreten-Schalter war der Laustärkeregler im Speisesaal für die Musikberieselung im selben. Es spielte immer der Radiosender, der in der Zentrale gehört wurde. Und dort saßen nur 90-jährige. Eines Tages, war der Schalter defekt. Die Musik ließ sich nicht mehr ganz ausschalten und wir liefen Gefahr zusätzlich zur chronischen Hirnerweichung durch den Dienst, ob der vielen Volksmusik auch noch akuten Ohrenkrebs zu bekommen. Die Handwerker haben sich zwar am Schalter versucht, aber - wie nicht anders zu erwarten - erfolglos.
Irgendwann war es Olaf dann zuviel. Olaf war immer brummelig und auch ein kleiner Chloeriker. Olaf stand auf, ging zum Schalter und trat gegen. Da war Ruhe, aber leider nicht lange. Die Handwerker, allen voran Toni, unser kleiner Italiener, hatten ihn innerhalb nur einer Woche soweit wieder repariert, daß man entweder keine Musik oder volle Lautstärke hören konnte.
"Toni, der Schalter ist kaputt"
"Wasse is loss, hä?"
[Klick, brüllend laut]
"Wieso, egehte doch!"
"Ja, aber nicht leiser"
[Klick, aus]
"Ja isse doch jetz leiser"
"Aber die Lautstärke kann man nicht einstellen..."
[Klick, brüllend laut]
"Wiesoe? Isse doch lauter jetz."
Zwecklos. Einen halben Tag später kam Sundermann, aber wohl nur, weil ihm die Lautstärke auch hoch war. Er nahm die Abdeckung vorsichtig ab, schaute sich die Kabelei dahinter an, fing an zu fluchen und streute ab und zu das Wort 'Toni' ein. Dann nahm er den Schalter, riß ihn aus der Wand und war fünf Minuten später mit einem funktionierenden wieder da.

Viel zu tun hatten die Handwerker auch mit der Waschmaschine im Wohnheim, die sich immer mitten im Programm abschaltete. Jedes Teil wurde ausgetauscht, bis beinahe eine komplett neue Waschmaschine da stand, die aber immer noch mitten im Programm Klick sagte und meinte, fertig zu sein. Irgendwann ist dann ein Zivi drauf gekommen, den Programmwahlschalter abzuziehen, um 90 Grad zu drehen und wieder draufzustecken. Da lief sie wieder.

...Mike

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Alles unter Kontrolle

Wir Hol- und Bringer haßten die altersschwachen Fahrstühle und waren doch so darauf angewiesen. Nicht nur einmal passierte es, daß einer von uns die Mittagspause in einer steckengebliebenen Kabine verbringen mußte. Dazu kam, daß man fast immer einen elektrischen Schlag bekam, wenn man auf einen der Knöpfe drückte. Wenn keiner hinsah behalfen wir uns damit, daß wir die Knöpfe mit den Füßen bedienten. Nach einiger Zeit waren wir nicht nur so gelenkig wie Jean-Claude van Damme, sondern trafen auch so gut ins Ziel, daß es fast immer dort hinging, wohin wir wollten. Und es sah cool aus.
Spaß machte es auch, die Patienten zu erschrecken, wenn sie wieder einmal im Lastenaufzug fuhren (was eigentlich immer der Fall war). Wenn man die Fahrstuhltüren während der Fahrt nur ein klein wenig aufzog, blieb die Kabine ruckartig stehen, verharrte einige Sekunden um dann im Kriechtempo die nächst niedrigere Etage anzusteuern und dort 15cm zu tief stehen zu bleiben. Immer.
Sehr viel Eindruck machte es, wenn ich die Patienten in solch einem Fall (mit meinem 'Dr. Coenen' Schild am Kittel) an die Seite gebeten und mich dann mit voller Wucht gegen die Kabinenwand geschmissen habe - natürlich so getimed, daß der Fahrstuhl sich nach meinem Aufprall wieder in Bewegung setzte: "Kein Grund zur Aufregung, das passiert öfter. Das haben wir unter Kontrolle". Die Gesichter der verschreckten Patienten waren jedesmal köstlich, und nie ist einer von denen wieder im Lastenaufzug gesehen worden.

Einmal jedoch habe ich es ein wenig übertrieben. Gerade konnte ich noch einen Patienten abfangen, der während des Essenschiebens den Fahrstuhl klauen wollte, obwohl ein riesiges rotes Schild "Reserviert für Speisetransport" drin hing. Meine Zufriedenheit nach der Erschreck-Aktion wich aber schlagartig, als im Erdgeschoß dann die Türen aufgingen, der nächste Essenwagen hereinstürmte und 15cm hinunterknallte, bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte. Die Ladung war hinüber. Peinlich, peinlich.

Werkstattleiter Sundermann (ein ziemliches *rschloch), meinte manchmal, die Fahrstühle selbst reparieren, oder mindestens optimieren zu können, wie auch immer das funktionieren sollte.
Da der HuBD um 14.00 Uhr Schluß hatte, mußten die Stationszivis im Wechsel das Abendessen hochbringen. Den Expreßschlüssel hatten aber nur wir, so daß abends die Fahrstuhltüren immer wieder von allein zugingen, auch wenn man keinen Knopf drückte. Die Kabine konnte ohne Schlüssel auch nicht als Expreßaufzug genutzt werden. Also halfen sich die Zivis damit, indem sie einen Essenwagen in der Lichtschranke abstellten, um dann den nächsten zu holen und mit beiden hochzufahren. So tat dies auch Phil und parkte einen Wagen halb im Fahrstuhl. Bloß rechnete er nicht damit, daß Sundermann wieder am Basteln war. Auf dem Rückweg zur Küche hörte er ein furchtbares Scheppern und rannte zum Fahrstuhl zurück. Dort fand er einen leeren Fahrstuhlschacht mit offenen Türen und einen hochkant im Flur stehenden Essenwagen vor, aus dem das Abendessen herausglibberte. Schade für die Patienten, denn in der Küche ist abends niemand mehr.

Wenn gut gelaunte Hol- und Bringer im Aufzug waren, konnte man das immer hören, denn die Kabine hatte eine wunderbare Akustik, zumindest was den Einsatz der Hände und Füße an Boden und Wänden bei 'We Will Rock You' angeht. Auch 'La Cucaracha' war sehr beliebt und man sah immer wieder Leute vom Personal stehenbleiben und mit gesenktem Blick den Kopf schütteln, wenn der HuBD mal wieder singend und lärmend im Fahrstuhl an deren Etage vorbeifuhr.

Eine andere Art von Lärm machte Schaper. Schaper war Lars Ersatz, als dieser sein Soll für Volk und Vaterland erfüllt hatte, und ins übliche Resozialisierungsprogramm wechselte. Schaper war der Anfang vom Ende, Schaper konnte nicht über sich selbst lachen, war Choleriker und meinte, von gar niemandem Befehle annehmen zu müssen, weil das seinen Prinzipien widerspräche. Kurzum, ein Idi*t.

Um seiner Rebellion Ausdruck zu verleihen, legte er jeden Tag nach Dienstschluß einen Alarmstart mit seinem Auto, einem abgewrackten Polo mit Monsterauspuff, hin. Der Parkplatz des Krankenhauses sieht von oben aus wie eine Leiter, zwei lange Straßen an jeder Seite und die eigentlichen Parkplätze waren in den 'Sprossen' dazwischen zu finden. Überall war mannshohes Grünzeug gepflanzt, so daß der Parkplatz unglaublich unübersichtlich war. Die beiden langen Straßen waren an dem einen Ende, wo auch der Haupteingang war, miteinander verbunden, am anderen Ende mündeten Sie in die Hauptstraße.
Schaper fuhr also mit seinem baufälligen Auto vor den Haupteingang auf seine 'Pole Position', spielte ein wenig mit dem Gas, brachte den Motor auf volle Drehzahl und ließ die Kupplung fliegen, so daß die Kiste aufgrund kaputtester Stoßdämpfer vorne einen Meter hochging, dann sein Kopf an die Kopfstütze schlug und er mit lautem Reifenquietschen wie ein Irrer an sämtlichen 'Parksprossen' vorbeischoß, um vorne an der Hauptstraße eine Vollbremsung hinzulegen.
Einmal, als ich auf dem Weg zum Wohnheim Schapers gedopte Moulinex wiedermal hochdrehen hörte, kam Sundermann mir entgegen und fragte mich, was mit dem Spinner eigentlich nicht stimmte. Ich zuckte mehr oder weniger nur mit den Achseln und fragte ihn, ob wir Schaper nicht die Welle machen wollten, als er auch schon losfuhr. Da standen nun Sundermann und ich, machten zu zweit die Welle, und kamen seit dem Tag prima miteinender klar.

Auf Schapers Auto klebten so mehrere Sachen, und nicht alle waren dazu da, um die Karosserie zusammenzuhalten. Neben dem Moos, das am Fenster wuchs, war die große 5 vorne auf der Motorhaube fast das Interessanteste. Die 5 deswegen, weil das Michael Schumachers Nummer war (zu der Zeit als der Ferrari beim Anfahren noch Kurbelwellen verlor). Der Brüller schlechthin war aber der von seinen 'Kumpels' mit Klebeband ans Heck geschriebene Spruch: "Keiner lacht ohne Hoden". Einmal gingen wir alle an der Werkstatt vorbei, nahmen jeder eine handvoll Schrauben mit und versenkten sie in Schapers Auspuff. Cooler Sound, Hummeln im Hintern mal anders.

Sehr leicht regte er sich immer auf, wenn wir über die Schwesternschülerin redeten, der er hinterherlief (die, die später dann den Sohn von Frau Weiss heiratete und bis dahin ebenfalls Schaper mit Nachnamen hieß). Extrem allergisch reagierte er auf Sachen wie: "Mensch, Schaper, was wenn ihr heiratet, und sie ihren Namen behalten will? Heißt Du dann Schaper-Schaper?" Der Schaper-Schaper-Gag hielt sich aber nur solange, bis er sich einmal Visitenkarten am Automaten hat drucken lassen, die er dann stolz verteilte. Das Problem war nämlich, daß er sich bei seinem Namen verschrieben und das 'h' vergessen hatte. Seitem wurde er nur noch mit einem englisch ausgesprochenen 'Scaper' gerufen.

Scaper hatte das unglaubliche Talent, jeden innerhalb kürzester Zeit zur Weißglut bringen zu können, sogar und schmerzfreie Hol- und Bringer. Eines Tages hatte er sich im Marktkauf ein neonbuntes Spielzeughandy gekauft, und tippte und piepte damit rum. Den ganzen Tag, bis ich beim Mittagessen im Speisesaal Interesse heuchelte und fragte: "Sach ma', wieviel haste dafür bezahlt?" "Ey nur einsachtundneunzig, ey." "Kann ich mal sehen?" Er gab mir das Handy, ich kramte ein Zweimarkstück hervor, schnippte es ihm zu, stand auf und ließ das Handy durch einen gewaltigen Wurf an der Wand explodieren. Scaper guckte wie ein Karpfen, der gerne ins Wasser zurück möchte, zumal schmächtige Kerlchen wie ich sich normalerweise nicht mit Brechern wie ihm anlegen. Die anderen Zivis verzogen wieder einmal keine Miene.

Ein anderes Mal nervte er uns mit billigen Kartentricks, bis ich ihm die Karten wegnahm und aus dem Stegreif einen 'Trick' improvisierte, an dem er heute wohl noch grübelt. Ich mischte und ließ ihn verdeckt eine Karte ziehen, die er dann wieder zurücksteckte. Dann gab ich ihm die Karten und sagte: "Misch"
"...?"
"Ja was? Mischen!"
[Scaper mischte]
"HALT!"
[Scaper hielt inne]
"Jetzt leg' die Karten auf den Tisch und heb dreimal ab"
Er tat's. Daraufhin tat ich geheimnisvoll, nahm vom mittleren Stapel zwei Karten runter, drehte die dritte um und sagte: "Da, die isses." Sie war es tatsächlich und Scaper machte wieder dieses Karpfengesicht. Die Chancen standen bei 1:32. Daß ich bloß Glück hatte und von Anfang an darauf hoffte, habe ich ihm natürlich nicht gesagt.

Alltägliche Fahrstuhlprobleme (0.4 MB)


...Mike

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Schmackofatz für Zivis

Eines Tages nahm man uns unseren Raum im Keller weg, einfach so, bloß weil er fortan als Schwesternumkleide dienen sollte. Gemein. Also ließen wir uns im Speisesaal häuslich nieder, woraufhin wir pausenlos von dem dämlichen Telefon an der Essenausgabe genervt wurden.
In den frühesten Morgenstunden schon wollte das Pflegepersonal das Essen für die neuen Patienten bestellen, wogegen eigentlich auch nichts sprach, wenn das denn in der Küche gemacht worden wäre. Der Gedankengang muß aber wohl folgender gewesen sein: "Wo gibt's immer Essen? Im Speisesaal!" Schöne Schlußfolgerung, aber leider falsch. Zumindest morgens gab's dort nur Ärger, sonst nichts. Um der nervigen Klingelei Einhalt zu gebieten, nahm ich desöfteren sogar ab:
"Bettenzentrale..."
"...äh - oh - Entschuldigung, da habe ich mich wohl verwählt."
"Kein Problem."
[Gleich beim Telefon stehengeblieben und mit anderer Stimme wieder abgenommen]
"Leichenhalle, hallo..."
"...das kann nicht sein, ich habe jetzt ganz sicher die 42 gewählt!"
"Hm, vielleicht ist ja Ihr Telefon kaputt?"

Das machte einige Tage Spaß - bis es Ärger gab. Okay, verständlich, also habe ich mich fortan nicht mehr 'falsch' gemeldet: "Guten Tag, hier ist der automatische Anrufbeantworter des Speisesaals. Zur Zeit ist noch niemand da. Bitte geben Sie Ihre Bestellung nach dem Pfeifton durch... *flöt*" Ein wenig gewartet, aufgelegt und gut war. Es dauerte nicht lange, da haben wir wieder einen eigenen Raum bekommen.

Dieser befand sich hinten zum Hof raus, zwischen Küche und Wäschelager. Allerdings war Gerümpel drin, und zwar nicht wenig! Zuerst haben wir zwar gemault, aber dann doch mit dem Ausmisten begonnen. Alte Stühle, alte Schränke, kaputte Betten, oh, Spinde in der Ecke, viel Staub und Dreck, eine große, im Boden eingelassene Waage, und, hinter ein paar Kartons, ein alter Kühlschrank. Der Kühlschrank sprang plötzlich an. Er klang gequält, aber doch noch gesund. Hinten zwitscherte er ein wenig und die Tür klemmte.
Als der Stecker dann herausgezogen war, lüftete sich das Geheimnis nach einiger Zeit. Die Tür klemmte nicht, sie war festgefroren. Das Eisfach hatte den gesamten Innenraum in einen massiven Eisklotz verwandelt. Nachforschungen, wann der Raum denn das letzte Mal betreten wurde, ergaben ca. drei Jahre. Ach so.
Kaputt war der Kühlschrank aber noch lange nicht, nur das Thermostat bedurfte einiger Überarbeitung. Es ist witzig mitanzusehen, wie nach dem Öffnen einer kleinen Colaflasche aus Glas, in deren Innern im Zeitraffertempo die Eiskristalle von unten nach oben emporwachsen.

Zwei Mal die Woche wurden aus dem Wäschelager die Wagen mit den dreckigen Wäschesäcken abgeholt, von dem kugeligen, kahlköpfigen und vollbärtigen HB-Männchen mit abstehenden Armen. Die Wäschewagen hatten knapp 1x1 Meter Grundfläche und waren knapp einsachzig hoch. Sie waren eigentlich ziemlich schnell voll, so daß man so gut wie immer mehrere für eine Tour brauchte. Die Wäschewagen waren an einer Seite fast komplett offen und hatten deswegen dicke Gummibänder mit einem Haken dran, die man vorherspannen konnte, damit nicht alles rausfiel. Diese Gummibänder konnte man prima durch die Gitter eines anderen Wagens flechten und sie somit aneinanderketten. Praktisch, aber das HB-Männchen mochte das nicht, und jedesmal wenn wir vergaßen, die Wagen im Wäschelager zu entwirren, sprang ihm vor lauter Tobsucht immer fast die Pumpe aus dem Hals. Hatten wir vorher gar nicht mitbekommen, bis unser Raum dorthin verlegt wurde.
Irgendwann bemerkte er, daß da nebenan Zivis hausen, riß fortan, wenn es wieder mal soweit war, die Tür auf und brüllte den erstbesten, den er erblickte, aus vollem Halse an.

Eines Tages, als ich sowieso schon genervt war, bat ich Lars und Tobi, doch ausschließlich Müll abzufahren, weil ich mich an dem Tag allein um die Wäsche kümmern wollte. Mein Ziel war, das Dutzend vollzukriegen. Ein dutzend aneinandergehängte Wäschewagen, die natürlich nicht wieder entkoppelt wurden. Das muß ziemlich krank ausgesehen haben, die Schlange vollbeladener Wäschewagen, und vorneweg ein Zivi, der sich mit hochrotem Kopf und cartoon'esker Körperschräglage mühte, die Last Zentimeter für Zentimeter voran zu zerren.
Endlich am Ziel, ließ ich mich schwitzend in einen Sessel in unserem Raum nebenan fallen, und wartete genüßlich darauf, daß das Unwetter losbrach.
Da war der Diesel des großen LKW, dann die Hebebühne, dann die ersten Wagen, die darauf gerollt wurden, dann Stille: "Das... das gibt's doch nicht! Verdammte Scheiße! Herrgottnochmal, diese Scheißzivis! Das ist doch Absicht!". Zuerst dämpfte die noch geschlossene Metalltür wie Oropax den Ausbruch, doch nicht lange. Ich empfing ihn mit einem Lächeln...

Gelegenheiten zu Lachen gab's normalerweise ja nicht, die mußte man sich schon selbst schaffen. Schlimm war immer das Mittagessen. Es gab normales Essen und Essen für Zivis. Noch immer habe ich die Worte von Frau Weiss im Ohr: "Nein, Zivis kriegen nicht soviel" oder "Nein, das ist der gute Joghurt, der ist nicht für die Zivis."
Als Hol- und Bringer kriegt man alles mit, weil man überall mit drinsteckt, und sei es nur, daß man Pappkartons entsorgen muß, auf denen "Champignons, 4. Wahl" steht. Der Himmel weiß, mit was wir Zivis gefüttert wurden. Eines Tages nahm ich mir blind etwas, von dem ich vermutete, daß es wohl eine Nektarine sei. Beim Hineinbeißen fühlte es sich jedoch so flauschig die ein Pfirsich an. Das waren dann die Schimmelpilze.
Einmal im Monat wurden in der Küche die Dunstabzugshauben gereinigt und was immer sich für Dreck in, an und um die Filter versammelt hatte, rieselte in das halbzubereitete Essen. Zuviel Hygiene soll ja Allergien begünstigen.
Die Freitagsfrikadellen lernte ich schnell zu meiden, denn nach deren Genuß sah mein Trainingsabend desselben Tages immer so aus: warm machen, Kür durchfahren, mich übergeben, weitertrainieren.

Frau Weiss hatte auch einen Sohn, der zur selben Zeit Zivi war. Zuerst dachten wir, er würde bevorzugt werden, aber im Nachhinein war das egal, da er gestört genug war um uns sympathisch zu sein. Das Zividasein ist an ihm relativ spurlos vorübergegangen, obwohl er eine Krankenschwester geheiratet hat, die er während der Zeit kennenlernte. Mittlerweile arbeitet er im Verborgenen, und falls sich jemand demnächst einen neuen Porsche kauft und die Gestaltung der Bedienelemente komisch findet, der soll doch bitte Milde walten lassen, denn der Designer war Zivi im Kranken Haus am Rande der Stadt.

Alle Arten von Feinmechanik oder -motorik aber waren uns während der Zeit im HuBD völlig fremd. Das ging sogar so weit, daß uns belegte Brötchen scheinbar von sich aus aus den Händen sprangen. Auch mit der Sprache war es nicht weit her: "Paß auf! Weißt Du wie lose das fest is?" sind nur harmlose Symptome. Ab und zu, wenn man mal wieder den Faden verlor, blieb man einfach an einem nasalen Konsonanten hängen, bis man entweder weiter mußte, oder keine Lust mehr hatte. Sprache und Koordination waren aber auch nicht wirklich wichtig, vor allem nicht beim Abreagieren.

Unten im Heizungskeller, in dem 40 Grad sind und mindestens 100% Luftfeuchtigkeit herrschen und der zu großen Teilen auch nur knapp über einen Meter hoch ist, mußte ein riesiger metallener Lüftungskanal 'weggemacht' werden. Eine Drecksarbeit also, vor der sich die festangestellten Handwerker gerne drückten. Nur gut, denn diese Art von Arbeit war ideal für gestreßte Zivis. Oft hörte man noch nach Einbruch der Dunkelheit gedämpfte Stimmen und Geräusche über den Hof schallen: Gaah! *booom* Aaaargh! *booom* Jaaargh! *boooom, klirr, frääääääs!*

Durchschnittliches Ziviessen (0.4 MB)


Aliens im Heizungskeller (3.6 MB)


...klar, daß das nicht gut geht (3.2 MB)


...Mike

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#46174

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Turbo_Grieche antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Nicht nur Kinder.
In Berlin gibt es momentan eine Art Machtübernahme des Behindertentransportes. Da überall Geld vom Senat gekürzt wurde muss auch in diesem Sektor eingesparrt werden. Deswegen steht hier grad alles Kopf. Mir als Zivi könnte das egal sein...ist es aber nicht, da es nicht sein kann, dass das Firmenrisiko auf die Angestellten übertragen wird.
Das liegt nicht im Sinne des Erfinders.

Es gibt zwei Hauptgruppen von Kunden:

1. TSW (TrageStuhlWagen)Krankenfahrten
Diese beinhalten fahrten zum Arzt, abholung aus Krankenhäusern, oder Dialysepatienten, welche alle nicht mehr in der Lage sind den Weg alleine zu beschreiten.

2. MobilCab (Privatfahrten)
Dort können Behinderte eine art Taxi (das läuft auch alles momentan noch über den Taxifunk) bestellen, um alltägliche strecken hinter sich zu bringen.

Oft kommt es vor, dass jemand im 4. OG wohnt und kein Fahrstuhl vorhanden ist. Das sind meine liebsten :? Runter geht das noch fast, aber hocch ist auf dauer eine Qual.
Einige Zivis haben das nicht auf die Reihe bekommen und sind deshalb ausgestiegen. Ich war fast immer sportlich aktiv, aber diese Arbeit kann wirklich schlauchen. Ich vertrage das, aber ich ziehe meinen Hut vor jedem älteren Herren der das sein Leben lang macht und sich nicht beklagt.

Ich würde dir eher "Essen auf Rädern" empfehlen. Das musst du aber selbst wissen.

Grüße
Christian

Aus Fehlern lernt man...sollte man zumindest!
(Ich spreche aus Erfahrung)
#46128

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Hemicuda antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Grrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr. Nicht Bücher lesen, sondern Kinder durch die Gegend fahren.

'cuda
#46112

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Danilo antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Meinst du jetzt Bücher Lesen???
Hab gehört, das soll doch nicht sooo schlimm sein! :mrgreen-angel:

- "Meister, wie kann ich lernen zu verzeihen?"
- "Wenn du aufhören würdest zu verurteilen, hättest du das Verzeihen gar nicht nötig!"
.
#46111

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Hemicuda antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Hi Christian,

was machst Du da genau? Unter Umständen darf ich das Gleiche machen.

'cuda
#46093

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Turbo_Grieche antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Bei meiner Dienststelle ist alles ein wenig wie im Kindergarten (Behinderten Fahrdinest).

Einziges Problem: Du darfst echt nicht nachdenken!!!

Es ist so eine Stupide Arbeit, wo du einfach untergehst. Ich habe leider nicht solche tollen Geschichten wie der Mike zu erzählen. Dafür lese ich nun mindestens 2 Bücher im Monat um gegen die Verblödung vorzubeugen... vorher habe ich leider nicht wirklich gelesen :oops:

Grüße
Christian

Aus Fehlern lernt man...sollte man zumindest!
(Ich spreche aus Erfahrung)
#46081

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Hemicuda antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt


Hey, stimmt doch gar nicht, ich habe nichts gemacht, ich bin völlig unschuldig.

'cuda
#45996

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Von der alltäglichen Unerträglichkeit

"Sehr geehrter Herr Coenen, wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, daß Sie wieder in Tauglichkeitsstufe 1 eingestuft wurden. Anbei Ihr Personenbeförderungsschein. Mit freundlichen Grüßen, Stadtlandesoberirgendwas."
Na wunderbar, plötzlich war also meine Oben-Unten-Blindheit offiziell keine Gefahr mehr. Nur leider war ich mittlerweile zu verstrahlt, um irgendeine andere Tätigkeit als den Hol- und Bringdienst auszuüben.
In dem Job ist es ungemein hilfreich, wenn man eh nix mehr merkt. Nicht ohne Grund wurden normaler Müll und 'Stechmüll', also Spritzen, Kanülen, Gummischläuche etc., getrennt. Der Stechmüll wanderte in Plastikeimer, der Rest in blaue Mülltüten. Das klappte nicht immer, so daß manchmal, wenn man einen blauen Sack hochhob es Brt! machte, das Ding aussah wie ein Igel und zudem auch noch vor sich hin siffte.

Später wurde dann extra nochmal der Plastik- vom Papiermüll getrennt. Da waren die Schwestern immer ganz aufgebracht, wenn wir halbvolle Plastikmülltüten in halbvolle Papiermülltüten getan haben, um nur einen Sack zuknoten zu müssen.
"Was machst Du denn da?!"
Erstaunter Blick von mir
"Was glaubst Du, warum wir trennen?"
"Hmm, komm mal her, guck aus dem Fenster und sag' mir wieviele Müllcontainer Du da unten siehst."
"Einen, wieso?"

Es müßte einem doch schon was auffallen, wenn man Papiermüll in einen Plastiksack schmeißen soll, oder?

Nicht wirklich schlimm, aber doch ärgerlich war es, wenn einem die Müllsäcke vom Wagen fielen. Die Müllwagen hatten eine Pritsche von einem mal zwei Metern und mit ein bißchen Übung konnte man die Müllsäcke darauf 2.30m hoch stapeln. Damit kam man dann knapp durch alle Türen durch. Wackelig war die Angelegenheit schon, und wenn man draußen auf dem Hof auf der Ideallinie mal wieder an die Bordsteine kam, stürzten sich doch etliche Säcke zu Tode und verteilten ihre Eingeweide auf dem Asphalt. Die einzig wirkliche Herausforderung dort war, die Arbeit möglichst schnell und effizient zu erledigen, da kann sowas schon mal passieren.

Glasmüll wurde extra in Tonnen gebunkert, die wir dann von Station holen und im großen Glascontainer auf dem Hof leeren mußten. Der Glas- und der Preßmüllcontainer sollten eigentlich alle paar Tage geleert werden, aber das klappte selten. Wahrscheinlich wurden da wieder ein paar Mark an der falschen Stelle eingespart. Im Winter, okay, aber die Hitze des Sommers brachte die wunderlichsten Gerüche hervor. Der Inhalt halbleerer Infusionsflaschen gammelte zusammen mit den Überresten in mindestens genausovielen Wein- und Sektpullen in der prallen Sommersonne vor sich hin, und die Ratten machten sich über den Mannshohen Stapel blauer Müllsäcke mit verwesendem Inhalt her, die beim besten Willen nicht mehr in den Preßcontainer paßten. Das war nichts für Geruchsempfindliche. Seitdem kann ich sehr lange die Luft anhalten.

Der wirkliche Gammel kam in die weißen Tonnen, die extra weggeschlossen wurden. Einmal löste sich der Deckel einer solchen Tonne mit einem Plopp, als ich sie auf den Wagen wuchten wollte. Die Tonne fiel zu Boden, kippte um und plötzlich lag ein abber Arm auf dem Krankenhausflur. Alles nicht schlimm, solange es einen nicht anspringt, aber manchmal ist auch das nicht zu vermeiden. Eines Mittags machte es am Kreißsaal aufgrund einer Glasscherbe Brt! und eine Ladung Nabelschnüre und Nachgeburten glibberte mir über die Füße. Supa.

Das alles wurde nur noch vom täglichen Horror auf dem Küchenflur übertroffen: "Meta, schau, hier ist auch noch ein Pfirsich für Dich drin."

Es ist völlig verständlich, daß bei derartig andauernder Belastung der Körper in einen Schockzustand verfällt und nur unter größten Anstrengungen wieder revitalisiert werden kann. Dies geschah im Schwesternwohnheim und nannte sich Ziviparty, obwohl ich lange Zeit der einzige Zivi war, der dort wohnte. Aber egal, mindestens alle vierzehn Tage war großes Hallo auf bis zu drei Etagen. Es wurden Verstärker, Lautsprecher und Lichtanlagen angekarrt, Sicherungen mit Nägeln überbrückt, grund- und hemmungslos gefeiert bis der Arzt kam. Der Arzt war eine Sie, klein und runzelig und maulte immer irgendwas von Bereitschaft und Ruhe-haben-wollen. Meistens waren dann aber alle schon zu besoffen, um sich auf solche Diskussionen einzulassen. Nicht daß sie es nüchtern getan hätten, aber so gab's wenigstens eine Ausrede.

Überall wurde Bier gekühlt. Alle Badewannen waren voll. Wir paar Antialkoholiker mußten uns damit begnügen, unsere Cola im Toilettenspülkasten zu kühlen. Dafür hatten wir zu fortgerückteren Stunden die besseren Ideen. Mein Glanzstück war, im Winter die drei Lichterketten zu kappen, die die große Tanne vor dem Wohnheim schmückten, um sie an die Lichtorgel anzuschließen.

Das Wohnheim war schon ziemlich alt und nach außen hin sehr schalldurchlässig. Da nicht weit vom Krankenhaus entfernt, wurde es uns bei Parties zur Auflage gemacht, die Fenster zwecks Geräuschdämmung mit Matratzen abzudecken. Grelle Lichter, leistungsstarke Verstärker, eine Menge Leute, die auf engem Raum ausgiebig exotherm reagierten sowie ein dramatischer Mangel an Frischluft trennte dann oft sehr schnell die Spreu vom Weizen. Aber das Krankenhaus war ja nah.

Im Nachhinein glaube ich, daß ich ein paar Sonderrechte hätte haben können, weil ich der einzige war, der freiwillig am Wochenende arbeitete. Man mußte um kurz nach fünf Uhr morgens anfangen und war um kurz nach 13 Uhr fertig. Die Arbeit war weniger und wenn man ranklotzte, konnte man vier bis fünf Stunden zwischendurch schlafen. Man war also ausgeruht, hatte noch den ganzen Tag vor sich und pro Wochenende 16 Überstunden kassiert. Ich hatte nur 30 Sekunden Fußweg zur Arbeit und trank nie etwas, da war das alles wirklich nicht schlimm. Als meine Überstunden die 350 überschritten mußte ich das erste Mal beim Chef von alles antanzen und mich rechtfertigen! Ich versprach mich zu bessern, nicht mehr so viel zu arbeiten, und machte erst mal krank. Ich habe meinen gesamten Urlaub und knapp über 300 Überstunden bis zum Schluß aufgespart. Dementsprechend früh ging ich in 'Rente', blieb aber bis zum bitteren Ende im Wohnheim wohnen.

Wenn ich eben geschrieben habe, daß die Arbeit an Wochenenden weniger ist, so ist das nicht unbedingt richtig. Da weniger Personal im Einsatz ist, fällt auch nicht soviel Müll an, aber der HuBD besteht an Wochenenden nur aus zwei Mann, einem echten Hol- und Bringer und einem Handwerker. Somit ist das im günstigsten Fall, als wäre man allein. Schlimm war es immer, wenn man mit Heinrich arbeiten mußte. Manchmal verirrte er sich, ließ den Wagen dort stehen und nahm sich, weil es ja weitergehen muß, einfach den nächsten vor. Einmal habe ich einen Essenwagen im Keller in der Bettenzentrale wiedergefunden.

Der obligatorische Lichtschwertkampf (2 MB)


...Mike

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#45989

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SlingShot antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Junge, Junge ich schmeisss mich wech....

Damit ist ja wohl unstrittig geklärt, warum man unbedingt einmal im Leben beim Bund oder Zivi gewesen sein muss. Das war eine echt abgefahrene Zeit. Ich bin nur froh, dass es von meinem Zivil-Dienst nur ein paar Fotos gibt...

Gruß Michael
#45912

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Laserfreund antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt


:shock:

200 bis über 500Gigabyte... :shock: Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen
Ich bin froh, wenn auf meiner Seite das GB nich geknackt wird :eek:

Gibs zu... den 8-er haste nur, damit du was hast, was du ins Netz setzen kannst. Dein eigentliches Hobby ist es, Provider in den Ruin zu treiben :mrgreen: .

:winken:
Klaus
#45909

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Funky antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

:fruit:
#45908

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Mike1 antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Meine Provider sind Kummer gewohnt. e31.net verursacht ein Grundrauschen von 200 GB/Monat. Einmal lag ich sogar über einem halben Terabyte. Damit hatte ich dann wohl den "unlimited Traffic" überschritten und komische Post von Anwälten bekommen. :mrgreen-angel:
Ja, es ist ein 25-Minuten-Film mit Handlung - mehr oder weniger. Er ist einerseits wie "2001", man weiß, da muß eine Handlung sein, aber man findet sie nicht, andererseits einfach nur eine Aneinanderreihung von Gags. Man kann aber tatsächlich einen roten Faden entdecken.

Also der Aufhänger ist folgender:

Einleitung (1.2 MB)


Covervorderseite
Coverrückseite


Farbdruck war damals alles andere als ausgereift. Aber dafür konnten wir...

...Beamen (1.4 MB)


...Mike

P.S.: Der Kommunikator ist übrigens von Panasonic :mrgreen:

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#45907

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M6Achim antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

:top:

Achim

Gruß Achim
1.Platz Schönster 8er Bayerwaldtreffen 2010
E39 E31 E24
#45899

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jensemann antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Wahnsinn !!! :mrgreen: :shock: :toothbrush: 8) :clap: :lool: :headbanging: :lolol:

Gruss Jens :uah:
#45892

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Overlock antwortete auf das Thema: Das Kranke Haus am Rande der Stadt

Ich schmeiß mich weg. Der Unterhaltungswert von diesem Forum ist einfach unglaublich. Ist des Wahnsinns fette Beute... :lachen1:

Gruß Michael.
Das Leben besteht nicht darin, gute Karten zu kriegen, sondern mit den Karten gut zu spielen. (Arabisches Sprichwort)
fotos.garagenfreun.de/OverlockAnim.gif Die schönsten Erinnerungsfotos von meinem 8er (In meinem Besitz vom 11.01.2004 bis 19.12.2011)
Es war ne geile Zeit mit...
#45891

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