Mein erste Reaktion auf die in den Medien veröffentlichten Pläne zur Änderung der Kfz-Steuer war die, dass ich am liebsten aus der Haut gefahren wäre.
Aber dann stellte sich heraus:
1. Kein Minister oder Politiker hat hier etwas von sich gegeben.
2. Kein Ministerium hat sich geäußert.
Also woher kommt diese ganze Geschichte dann?
Der Hintergrund ist scheinbar der, dass sich im Umweltbundesamt vor einiger Zeit Leute zusammengesetzt und sich Gedanken darüber gemacht haben, wie die Politik (verkehrspolitisch) Gutes für die Umwelt tun kann.
Folgende Punkte wurden betrachtet und im September 2003 in einem Sachstandsbericht veröffentlicht:
1 FÖRDERUNG UMWELTORIENTIERTER VERKEHRSPLANUNG
1.1 REGIONALER WIRTSCHAFTSKREISLÄUFE
1.2 SIEDLUNGSSTRUKTUREN
1.3 ANSIEDLUNG VON UNTERNEHMEN
2 FÖRDERUNG UMWELTGERECHTER VERKEHRSTRÄGER
2.1 SCHIENENVERKEHR
2.1.1 Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen des Güter- und Personenschienenverkehrs
2.1.2 Erhöhung des Verkehrsanteils des Schienenverkehrs
2.2 EFFIZIENTERER ÖPNV
2.3 TELEMATIKEINSATZ
2.4 FAHRRAD- UND FUßGÄNGERVERKEHR
2.5 CAR-SHARING
3 MONETÄRE MAßNAHMEN
3.1 ABGABEN AUF DEN FLUGVERKEHR
3.2 SCHWERVERKEHRSABGABE AUF BUNDESAUTOBAHNEN (BAB) UND LANDSTRAßEN
3.3 ÖKOSTEUER
3.4 CO2-BEZOGENE KRAFTFAHRZEUGSTEUER FÜR PKW UND LEICHTE
NUTZFAHRZEUGE
3.5 ABBAU VON STEUERVERGÜNSTIGUNGEN FÜR PKW
3.6 ANGLEICHUNG DER MINERALÖLSTEUER (OTTO-, DIESELKRAFTSTOFF)
3.7 CO2-HANDEL IM VERKEHR
4 TECHNISCHE OPTIMIERUNGEN DER VERKEHRSTRÄGER
4.1 VERBRAUCHSMINDERUNG BEI BAHNEN UND BUSSEN
4.2 TECHNISCHE MAßNAHMEN FÜR PKW, LEICHTE UND SCHWERE NUTZFAHRZEUGE
4.2.1 Einsatz von Leichtlaufölen
4.2.2 Einsatz von rollwiderstandsarmen und lärmarmen Reifen
4.3 BEGRENZUNG DER FLOTTENEMISSIONEN NEU ZUGELASSENER PKW
4.3.1 Fortschreibung der CO2-Selbstverpflichtung der Automobilindustrie
4.3.2 CO2-Grenzwerte für die Neuzulassung von Pkw
4.4 ALTERNATIVE TREIBSTOFFE UND ANTRIEBE
5 VERBRAUCHERVERHALTEN
5.1 BEREITSTELLUNG VON VERBRAUCHERINFORMATIONEN
5.2 FÖRDERUNG DES KRAFTSTOFFSPARENDEN FAHRENS
5.3 GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNGEN: 80/120 UND 80/100 KM/H
6 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNG
6.1 ZUSAMMENFASSUNG DER EINZELPOTENZIALE
6.2 CO2-GESAMTSZENARIO 2010
6.3 SCHLUSSFOLGERUNG
Quelle:
"CO2-Minderung im Verkehr - Ein Sachstandsbericht des Umweltbundesamtes - Beschreibung von Maßnahmen und Aktualisierung von Potentialen"
Umweltbundesamt vom 10.09.2003
Download hier:
www.umweltdaten.de/verkehr/CO2_Minderung.pdf
Nun, mehr als vier Monate nach Veröffentlichung, werden Teile dieses Berichtes plötzlich an die grosse Glocke gehängt.
Bedenklich finde ich besonders, dass einzelne Punkte in einigen Medien so dargestellt wurden, als sei bereits alles beschlossene Sache.
Was der Gesetzgeber aus diesem Bericht macht (und nur der - nicht das Umweltbundesamt), ist eine ganz andere Sache.
Ich möchte hier aber auch nichts beschönigen - der Geist ist aus der Flasche - und die Erfahrung zeigt, das Politiker häufig gerne bereit sind, derartige Dinge aufzugreifen.
Andererseits - es wird auch nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. So ist z. B. das Thema Tempolimit auf Autobahnen (siehe unter Punkt 5.3 des UBA-Berichtes) mittlerweile schon so oft durchgekaut worden, dass sich dafür keiner mehr wirklich interessiert.
Um Auflage bzw. Einschaltquoten zu machen - dafür war dieses mal die Sache mit der CO2-Besteuerung sehr viel besser geeignet.
Ich zitiere im folgenden aus o. g. Sachstandsbericht des UBA:
3.4 CO2-bezogene Kraftfahrzeugsteuer für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge
Die nach Abgaswerten differenzierte Kfz-Steuer hat sich in der Vergangenheit zur Förderung emissionsarmer Fahrzeuge bewährt und maßgeblich die Entwicklung und Nutzung umweltverträglicherer Fahrzeuge beschleunigt. Nachdem die Anforderungen an die Schadstoffemissionen für neuzugelassene Fahrzeuge EU-weit deutlich verschärft wurden, könnte die Kfz-Steuer nunmehr genutzt werden, die Markteinführung kraftstoffsparender Pkw zu fördern. Hierzu sollte sie nach der CO2-Emission bemessen und progressiv gestaltet werden, d.h. je geringer der spezifische Verbrauch und die CO2-Emissionen eines Fahrzeugs sind, desto weniger Kfz-Steuer muss gezahlt werden. Diese Maßnahme wirkt sowohl auf die Beschaffung als auch auf den schnelleren Austausch des Altbestandes. Eine Studie im Auftrag der EU-Umweltkommission zeigt, dass eine nach CO2-Emissionen differenzierte Fahrzeugsteuer, die im Jahr 2000 in Deutschland eingeführt worden wäre, eine Minderung von 6% im Jahr 2008 zur Folge gehabt hätte [COWI, 2002].
Das legt nahe, zunächst die Schadstoffemissionsklassen der zur Zeit gültigen Steuer bestehen zu lassen und die Hubraumgröße, die kein konkretes Maß für den Verbrauch ist, gegen die CO2-Emissionen pro Kilometer auszutauschen.
Reduktionspotenzial
Das Potenzial dieser Maßnahme liegt bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen in der Größenordnung von 6% innerhalb von 8 Jahren [COWI, 2002]. Die Möglichkeiten der Verbrauchsreduktion schwerer Nutzfahrzeuge durch eine CO2-bezogene Kfz-Steuer sind in einem deutlich engeren Bereich angesiedelt, da wegen der Notwendigkeit niedriger Betriebskosten die Verbrauchswerte der Fahrzeuge ohnehin bereits deutlich weiter optimiert sind als bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen. Daher wird diese Maßnahme nicht auf Nutzfahrzeuge angewandt. Die bisher gültige Kfz-Steuer ist noch bis zum Jahr 2005 festgeschrieben, so dass die Einführung eines CO2-bezogenen Elementes ab dem Jahre 2006 möglich wäre. Die resultierende CO2-Emissionsminderung läge dann 2013 bei etwa 6,5 Mio. Tonnen für Pkw und Leichte Nutzfahrzeuge (2010: 3,8 Mio. t CO2). Die Kosten dieser Maßnahme sind im Vergleich zu den erzielbaren Emissionsminderungen sehr gering, da sich bei einer aufkommensneutralen Gestaltung nur die Berechnungsgrundlage für die Kfz-Steuer ändert.
Anmerkung zum rot markierten Text: die Einstufungen des PKW in die Schadstoffemissionsklassen (EURO 1, EURO 2 usw.) würde also, wenn die Politik diesen Punkt aufgreifen würde, nach wie vor als Berechnungsgrundlage zur Erhebeung der Kfz-Steuer dienen, jedoch nunmehr bezogen auf den CO2-Ausstoß pro km und nicht mehr bezogen auf den Hubraum.
3.5 Abbau von Steuervergünstigungen für Pkw
Nach der bestehenden Entfernungspauschale werden als Aufwendungen für das Erreichen des Arbeitsplatzes Pauschbeträge (bis 10 km 0,36 €/km, ab 10 km 0,40 €/km) festgelegt, die einen Teil der laufenden Kosten eines Kleinwagens decken. Hierdurch wird - verstärkt durch ein oft als unzureichend empfundenes Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln - die Entscheidung zur Anschaffung eines Pkw in umweltpolitisch unerwünschter Weise beeinflusst. Zudem ist die Differenzierung der Pauschalbeträge nach der Entfernung zum Arbeitsplatz weder gerechtfertigt noch unter Klimagesichtspunkten vertretbar. Die derzeitige Regelung begünstigt lange Arbeitswege und beeinflusst die Wohnortwahl. Damit fördert sie die Zersiedlung
der Landschaft und trägt zu einer erheblichen Zunahme von Berufspendlern und den damit verbundenen CO2-Emissionen bei.
Bei privater Nutzung von Dienstwagen wird bisher monatlich 1% des Listenpreises als geldwerter Vorteil beim Nutzer (z.B. Arbeitnehmer) besteuert. Dieser Wert ist zu niedrig. Durch die in der Koalitionsvereinbarung im Jahr 2002 vorgesehene Anhebung der pauschalierten Besteuerung auf mindestens 1,5% des Listenpreises wird ein Anreiz gegeben, eher günstigere – und damit in der Regel auch kleinere und mit weniger Zusatzaggregaten ausgestattete Pkw als Dienstwagen zu nutzen.
Die kostenlose Bereitstellung von Parkplätzen für Pkw der Mitarbeiter wird nicht als geldwerter Vorteil bei der Einkommensteuer besteuert. Die Besteuerung der kostenlos bereitgestellten Parkplätze würde die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und die Bildung von Fahrgemeinschaften fördern.
Reduktionspotenzial
Die mit dieser Maßnahme erreichbaren CO2-Emissionsminderungen können nicht direkt
quantifiziert werden. Durch den Abbau von Steuervergünstigungen für Pkw werden vor allem die Verlagerung auf umweltgerechtere Verkehrsmittel und Siedlungsstrukturen mit kürzeren Arbeitswegen unterstützt.
3.6 Angleichung der Mineralölsteuer (Otto-, Dieselkraftstoff)
Die niedrigere Besteuerung von Diesel ist hauptsächlich ein Instrument zur Begünstigung des Straßengüterverkehrs. Angesichts des hohen Anteils nicht gewerblichen Dieselverbrauchs, der in Deutschland mit 48% fast die Hälfte ausmacht, ist dieses Argument allerdings zunehmend fragwürdig geworden. Ende der 80er Jahre lag der Anteil von Pkw am Dieselverbrauch in der EU etwa bei 10%, 2001 waren es bereits 22%, wobei 43% der 2001 neu zugelassenen Fahrzeuge Dieselfahrzeuge sind. Eine Angleichung der Mineralölsteuer auf Diesel erscheint daher in Deutschland, wie in allen Staaten der EU, notwendig.
Darüber hinaus ist der Unterschied der Mineralölsteuer von Benzin und Dieselkraftstoff in Höhe von 0,18 € auch aus klimapolitischer Sicht nicht gerechtfertigt. Dieselkraftstoff hat pro Liter einen höheren Energiegehalt als Benzin und erzeugt bei der Verbrennung etwa 13% höhere CO2-Emissionen. Um zu einer Gleichbehandlung klimapolitisch gleicher Tatbestände zu gelangen, muss die Mineralölsteuer auf den Kohlenstoffgehalt des Kraftstoffes bezogen werden. In der Vergangenheit wurde dieses Instrument zur steuerlichen Begünstigung des Straßengüterverkehrs genutzt und im Pkw-Sektor durch eine höhere Kfz-Steuer für Dieselfahrzeuge ausgeglichen. Die höheren Spritkosten für Nutzfahrzeuge könnten bei Angleichung der Mineralölsteuersätze bei der Schwerverkehrsabgabe kompensiert werden. Auch sollte dann die Kfz-Steuer für die beiden Antriebsarten Diesel- und Ottomotor auf das gleiche Niveau gebracht werden.
Der Anteil der Dieselfahrzeuge an den Neuzulassungen 2002 beträgt bereits 37,5%. Falls es zur Angleichung von Benzin- und Dieselmineralölsteuer kommt, so wird diesem Trend entgegengewirkt. Mit der Angleichung der Mineralölsteuer für Otto- und Dieselkraftstoffe könnte eine faire Besteuerung von Benzin- und Diesel-Pkw erfolgen. Bei den Diesel-Pkw könnte bei der Kfz-Steuer dann der Mineralölsteuerausgleich entfallen. Aus technischer Sicht würden kosteneffiziente Maßnahmen einer verbrauchsbezogenen Optimierung von Benzinmotoren (Ottomotoren, Benzin-Direkteinspritzung) dann nochmals deutlich an Attraktivität gewinnen.
Reduktionspotenzial
Das Reduktionspotenzial ist schwer quantifizierbar. Durch einen Anstieg des Dieselpreises wird es zum einen zu einem Rückgang in der Fahrleistung bei den Dieselfahrzeugen kommen. Gleichzeitig steigt die Attraktivität für die Automobilhersteller, Maßnahmen der Verbrauchsreduktion nicht nur durch den Verkauf von Dieselmotoren, sondern durch technische Maßnahmen an Benzinmotoren zu erreichen. Ein Potenzial kann für diese Maßnahme nicht ausreichend genau quantifiziert werden. Um aber zu einer Gleichbehandlung klimapolitisch gleicher Tatbestände zu gelangen und das Bewusstsein für Energieverbrauch und den damit verbundenen CO2-Emissionen zu unterstützen, sollten trotz geringem direkten Minderungspotenzial die Mineralölsteuersätze auf den Kohlenstoffgehalt des Kraftstoffes bezogen werden.
5.2 Förderung des kraftstoffsparenden Fahrens
. . . Mit technischen Einrichtungen am Fahrzeug wie der standardmäßigen Ausstattung mit Verbrauchsanzeige würde der Kraftfahrer beim Energiesparen unterstützt werden. Eine Verteuerung des Kraftstoffes bei der Mineralölsteuer oder als Wirkung des Emissionshandels beim Downstream-Ansatz fördert die breite Anwendung einer verbrauchsarmen Fahrweise. Die Ausgabe eines Gutscheins für ein Fahrökonomietraining beim Kauf eines neuen Fahrzeuges oder auch eine Begünstigung bei den Versicherungsprämien nach Durchführung eines Fahrökonomietrainings hätten eine positive Wirkung bei der Verbreitung dieses Fahrstils.
5.3 Geschwindigkeitsbeschränkungen: 80/120 und 80/100 km/h
... Unter Berücksichtigung eines relativ hoch angesetzten Befolgungsgrades von bis zu 80% können die CO2-Emissionen Außerorts um 8% und die Emissionen der Autobahnfahrten bei Pkw um 9% (Tempo 120) oder 19% (Tempo 100) gemindert werden. Aufbauend auf den spezifischen Minderungsfaktoren und einem Einführungszeitraum über 3 Jahre bis zu einer Umsetzung bei 80% der Pkw, ergeben sich im Jahr 2005 Minderungen von 2,8 (80/120) bis 6,1 (80/100) Mio. Tonnen CO2, im Jahr 2010 Minderungen von 2,7 (80/120) bis 5,7 (80/100) Mio. Tonnen und im Jahr 2020 von 2,3 (80/120) bis 5,0 (80/100) Mio. Tonnen CO2.